Sexl Physik 8, Schulbuch

97 | liebige Gebiet der Erde zu transportieren. Mit dem heute vorhandenen Potenzial an Kernwaffen könnte man die Erde mit einem Schlag total verwüsten. Um 1990 gab es weltweit über 50 000 nukleare Sprengköpfe, was einem TNT-Äquivalent von 2·10 10 t entsprach. (Im gesamten zweiten Weltkrieg wurden Bomben mit einer Sprengkraft von insgesamt 3·10 6 t TNT- Äquivalent abgeworfen.) Die Drohung mit nuklearen Sprengköpfen, die in wenigen Minuten jeden Punkt der Erde erreichen können, war 45 Jahre lang ein wesentliches Element des weltpolitischen Führungsanspruchs der Nuklearmächte und verhinderte durch ein „Gleichgewicht des Schreckens“ Kriege mit Kernwaffeneinsatz. Seit den 90iger Jahren des 20. Jh. wurden von den USA und Russland die START Verträge (Strategic Arms Reduction Talks) unterzeichnet. In der Folge wurden die Anzahl der nuklearen Sprengköpfe für Interkontinentalraketen stark reduziert, Kurzstreckenraketen vernichtet und die permanente Alarmbereitschaft der Langstreckenbomber und Interkontinentalraketen aufgehoben. Gegenseitige Inspektionen sollten das Vertrauen in die Umsetzung der Abrüstung stärken. Ein Problem bei der Reduktion der Kernwaffen war (und ist) die sichere Verwahrung bzw. Verwertung des aus den verschrotteten Sprengköpfen gewonnenen spaltbaren Materials. Die Weiterverbreitung („Proliferation“) der Kernwaffen, unter anderem durch die Weitergabe von Reaktorbrennstoff, soll durch den Kernwaffensperrvertrag (NPT, Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons; 1968) verhindert wer- den. Dessen Überwachung ist eine Aufgabe der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien. Damit soll verhin- dert werden, dass neben den offiziellen Atommächten auch andere Staaten über Atomwaffen verfügen ( Tabelle 96.4). Untersuche, überlege, forsche: Atomwaffen 97.1 Welche Rolle spielte Einstein beim Bau der ersten Atombombe? Lies dazu Einsteins Briefe an den amerikanischen Präsiden- ten Roosevelt: http://hypertextbook.com/eworld/einstein.shtml und informiere dich genauer über die historischen Hintergründe. 97.2 Welche Arten von Waffen gibt es und wie groß schätzt man ihr Potenzial ein? Welche politischen und technischen Entwick- lungen gibt es in der Gegenwart? Erkundige dich über den aktuellen Stand der START-Abkommen. 97.1 24 Interkontinentalraketen auf einem Atom-U-Boot der USA. Die USA verfügte im Jahr 2009 über 14 Atom-U-Boote mit je 24 Interkontinentalraketen von denen jede bis zu 8 Kernwaffen tragen kann. Russland besaß 13 Atom-U-Boote. 97.2 Kernkraftwerke sind Wärmekraftwerke. Zur Kondensation von Wasserdampf werden Kühltürme benötigt. Kernreaktoren Die Geschichte des Reaktors ist eng mit der Geschichte der Atombombe verknüpft. Die ersten, 1943 im Rahmen des Manhattan-Projektes gebauten Kernreaktoren dienten der Gewinnung von Plutonium-239, das zur Herstellung der ersten Atom- bomben benötigt wurde. Heute dienen Reaktoren überwiegend der Gewinnung elektrischer Energie. 2012 waren in 30 Staaten der Welt 212 Kernkraftwerke mit 435 Reaktorblöcken in Betrieb, 62 waren nach Angaben der IAEA in Bau. Insge- samt stammen weltweit etwa 16 % des elektrischen Stroms (etwa 6% des Primär- energiebedarfs) aus Kernkraftwerken (IEA, 2011) ( 98.2 ). Das physikalische Konzept von Kernreaktoren Was sind die physikalisch-technischen Voraussetzungen dafür, dass eine Ketten- reaktion kontrolliert aufrechterhalten werden kann? Welches spaltbare Material ist dafür geeignet? Wie lässt sich ein Kernreaktor „abschalten“? Kerne des Isotops U-238 absorbieren Neutronen ohne dadurch gespalten zu wer- den. Sie wandeln sich durch zweimaligen b -Zerfall in Plutonium 2 2 3 9 9 4 Pu um. In rei- nem U-238 kann daher keine Kettenreaktion ablaufen. Die Kerne des Isotops U-235 lassen sich andererseits so leicht spalten, dass eine spontan eintretende Kettenreaktion von reinem U-235 nur schwer kontrolliert werden kann. In den meisten Kernreaktoren wird als Brennstoff daher angerei- chertes Uran verwendet, bei dem der Anteil an U-235 bei rund 2–3 % liegt, wäh- rend natürliches Uran nur 0,7 % U-235 enthält. Die Spaltung von Kernen des Isotops U-235 ist umso wahrscheinlicher, je langsa- mer die Neutronen sind. Deshalb werden die bei der Spaltung frei werdenden Neu- tronen durch einen Moderator , meist Wasser, bis auf Energien von einigen Hun- dertstel Elektronvolt abgebremst. Dies entspricht der Bewegungsenergie leichter Teilchen bei Zimmertemperatur („thermische Neutronen“). Um die Kettenreaktion im Reaktor kontrolliert ablaufen zu lassen, muss der Multi- plikationsfaktor genau Eins sein. Dies wird durch Regelstäbe aus Cadmium erzielt, das Neutronen besonders gut absorbiert. Sobald die Regelstäbe in den Reaktor ge- schoben werden, absorbieren sie einen hohen Teil der langsamen Neutronen, so dass der Multiplikationsfaktor unter Eins sinkt und die Kettenreaktion erlischt. Bei stationärem Betrieb des Reaktors werden die Regelstäbe so weit herausgezo- gen, dass der Multiplikationsfaktor genau Eins beträgt. Treten beim Reaktorbetrieb Schwierigkeiten auf, so fallen die Regelstäbe automatisch in den Reaktor und un- terbrechen die Kettenreaktion. Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv

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