Sexl Physik 8, Schulbuch

95 | Die Kernspaltung Im Jahre 1938 entdeckten die beiden deutschen Wissenschaftler o tto h ahN (1879– 1968) und F ritZ s trassMaNN (1902–1980) beim Beschuss von Uran mit Neutronen unter den Reaktionsprodukten Elemente mit mittlerer Massenzahl, u. a. radioakti- ves Barium, dessen Entstehung zunächst unerklärbar schien. 2 2 3 9 5 2 U+ 1 0 n ¥ 1 1 4 5 4 6 Ba+ 8 3 9 6 Kr +3 1 0 n+ 179 MeV Die Erklärung gaben L iSe m eitner und O ttO F riScH im Jahre 1939 in der Zeitschrift Nature bekannt: „Infolge ihrer dichten Packung und des starken Energieaustausches würde man erwarten, dass sich die Teilchen in einem schweren Kern in einer Form kollektiver Bewegung befinden, die an die Bewegung eines Flüssigkeitstropfens erinnert. Wird diese Bewegung durch Hinzufügen weiterer Energie hinreichend heftig, so kann ein derartiger Tropfen in zwei kleine Tropfen zerplatzen.“ Damit war der Gedanke der Kernspaltung ausgesprochen. In der Folge erschie- nen zahlreiche Arbeiten, in denen die Spaltungshypothese von m eitner und F riScH weiter bestätigt wurde. Kerne des Isotops U-235 lassen sich durch langsame Neutronen leicht spalten. Bei jeder Spaltung eines Kerns von U-235 wird eine Energie von 200 MeV frei. Die ent- stehenden Kerne mit mittlerer Massenzahl fliegen infolge der abstoßenden elek- trischen Kräfte mit großer Geschwindigkeit auseinander. Die Kernspaltung kann daher als Energiequelle dienen, wenn es gelingt, eine ausreichende Anzahl von Kernen unter kontrollierten Bedingungen zu spalten. Dies ist möglich, da bei je- der Spaltung eines Urankerns auch zwei bis drei Neutronen freigesetzt werden, die weitere Spaltungen auslösen und so eine Kettenreaktion einleiten können ( 95.2 ). Dabei kann sich die Zahl der an der Spaltung beteiligten Neutronen von „Generation zu Generation“ rasch vermehren. Diese Vermehrung beschreibt man durch den Multiplikationsfaktor k . − Für k > 1 steigt die Anzahl der an der Spaltung beteiligten Neutronen lawinen- artig an. Dadurch werden die Urankerne unter Abgabe ungeheurer Energiemen- gen in Sekundenbruchteilen gespalten. Dies führt bei einer Atombombe zur Ex- plosion. − Für k = 1 bleibt die Zahl der Neutronen und der Spaltungen zeitlich konstant. Eine derart gesteuerte Kettenreaktion liefert kontinuierlich Energie und ent- spricht dem stationären Betrieb eines Kernreaktors. − Für k < 1 nimmt die Anzahl der Neutronen und der Kernspaltungen mit der Zeit sehr rasch ab und die Kettenreaktion kommt zum Stillstand. Dies tritt z. B. ein, wenn ein hoher Prozentsatz der erzeugten Neutronen das spaltbare Materi- al verlässt, ohne weitere Kernspaltungen auszulösen. Für eine Kettenreaktion ist daher eine Mindestmenge an spaltbarem Material erforderlich, die man als kritische Masse bezeichnet. Für U-235 beträgt die kritische Masse rund 50 kg. Dies entspricht einer Urankugel mit einem Durchmesser von 17 cm . Urankerne können durch Neutronen gespalten werden. Dabei werden weitere Neutronen freigesetzt, die eine Kettenreaktion auslösen können. Urankerne können sich auch ohne Einwirkung von Neutronen spontan in zwei Tei- le spalten. Beim radioaktiven Zerfall von spaltbaren Atomkernen ist diese Spon- tanspaltung allerdings selten. So entfällt bei U-238 auf zwei Millionen α -Zerfälle nur eine spontane Spaltung in zwei Kerne mittlerer Größe. 95.1 Die Wiener Physikerin l ise m eitner arbei- tete mit dem Chemiker o tto h ahn im Kaiser- Wilhelm-Institut in Berlin bis zu ihrer Emigra- tion nach Schweden 1938. Kurz darauf gelang Lise Meitner die Deutung eines von Hahn durchgeführten Experiments: Es handelte sich um die erste künstliche Kernspaltung. n n n n n n n n n n n n n n n n n n U-235 Kern schwingt Rb Cs U-235 U-235 Xe Sr La Br U-235 U-235 U-235 U-235 Y J Ba Kr Xe Sr Se Ce 95.2 Bei der Spaltung eines U-235-Kerns entstehen zwei mittelschwere Kerne und zwei bis drei Neutronen. Infolge der elektrischen Abstoßung fliegen die neu entstandenen Kerne mit hoher Geschwindigkeit auseinander. Jedes Neutron, das nicht aus dem spaltbaren Material entweicht, kann zu einer weiteren Kernspaltung führen. Dadurch kommt es zu einer Kettenreaktion. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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