Sexl Physik 8, Schulbuch
93 | 1.4 Die Kernenergie Die Bindungsenergie von Atomkernen ist millionenfach höher als die Energien, die in der Elektronenhülle auftreten. Die Abhängigkeit der Bindungsenergie von der Massenzahl (S. 82) ermöglicht zwei verschiedene Wege zur Umwandlung von Kernenergie. Bei der Kernfusion werden zwei Atomkerne geringer Massenzahl zu einem großen Atomkern verschmolzen. Dieser Vorgang vollzieht sich seit Jahrmilliarden im In- neren der Sterne (s. S. 123). Er bildet die Energiequelle der Sonne und damit allen Lebens auf der Erde. Bei der Explosion von Wasserstoffbomben und bei der kont- rollierten Kernfusion zur Energiegewinnung wird dieser Vorgang technisch nach- vollzogen. Ein zweiter Weg zur Freisetzung von Kernenergie ist die Spaltung von Kernen ho- her Massenzahl in zwei oder mehrere Bruchstücke. Auf dieser Kernspaltung be- ruht die Energieumwandlung in Kernkraftwerken. Bei der Fusion leichter Kerne ebenso wie bei der Spaltung schwerer Kerne wird Bin- dungsenergie freigesetzt. Die Kernfusion In Sternen erfolgt eine stufenweise Fusion von Wasserstoffkernen zu Heliumker- nen. Solche Reaktionen benötigen einen Druck von Milliarden Bar und der Fusi- onsprozess der Nukleonen dauert sehr lange (s. S. 123). Wie lässt sich ein derarti- ger Vorgang technisch nachbilden? Um den Prozess zu verkürzen, wählt man als Ausgangsstoffe nicht Wasserstoff, sondern die Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium: 2 1 H+ 3 1 H ¥ 4 2 He+ 1 0 n+ γ Die bei dieser Reaktion freiwerdende Energie lässt sich aus dem Massendefekt be- rechnen: ∆ m = m D + m T – m He – m n = (2,014 + 3,016 – 4,002 – 1,009) u = 0,019 u ∆ E = 0,019·u·c 2 = 17,6 MeV Die Rechnung ergibt, dass bei der Fusion von Deuterium und Tritium zu 1 g Helium eine Energie von rund 120 000 kWh frei wird. Das entspricht einer Verbrennungs- wärme von 12 t Steinkohle. Um die Fusion einzuleiten, muss man die wechselseitige elektrostatische Absto- ßung überwinden und die beiden Atomkerne einander so nahe bringen, dass die Kernkräfte mit ihrer kurzen Reichweite wirksam werden. Ist dies der Fall, kann die Kernverschmelzung erfolgen, und die Bindungsenergie wird abgegeben. Eine Möglichkeit besteht darin, die Kerne mit Beschleunigern gegeneinander zu schießen. Damit kann man Fusionsreaktionen an einzelnen Kernen genau messen. Für eine technische Energiegewinnung kommt dieses Verfahren nicht in Frage. Es müssen nämlich sehr viele Teilchen beschleunigt werden, um einige wenige „Tref- fer“ zu erzielen, bei denen es tatsächlich zur Verschmelzung kommt. Die Kernfusion kann durch hohe Temperaturen herbeigeführt werden. Bei genü- gend hoher kinetischer Energie der Kernbausteine wird die elektrostatische Absto- ßung überwunden und die Kernbausteine fusionieren. Die erforderlichen Energien betragen einige Hundert keV. Dies entspricht der mittleren thermischen Energie von Teilchen bei einer Temperatur von 10 8 K . Derartige thermonukleare Prozesse finden im Inneren der Sonne statt. Dabei hält die freiwerdende Energie die erfor- derliche Temperatur aufrecht. Technisch gelang die Fusion im Jahr 1952 mit der Explosion der ersten US-ameri- kanischen Wasserstoffbombe. Die hohe Temperatur wird bei der Wasserstoffbombe durch Zünden einer Uranbombe erzielt (s. S. 96). So werden für kurze Zeit die zur Kernfusion notwendigen Voraussetzungen geschaffen. 93.1 Die bis 1963 durchgeführten oberirdi- schen Kernwaffentests im Pazifik führten auch in Österreich zu einer zusätzlichen Strahlenbe- lastung der Bevölkerung. 93.2 Die Energie der Sonne stammt aus der Kernfusion. Das Bild zeigt eine Aufnahme der Sonne im UV-Bereich. 2 1 H 4 2 He 2 1 H + + + + + 2 1 H 3 1 H 4 2 He 1 0 n + 93.3 Bei der Kernfusion werden Kerne geringer Massenzahl zu schwereren Kernen vereint. Dabei wird die Bindungsenergie freigesetzt. Die Fusion von Tritium und Deuterium tritt bereits bei Temperaturen von 10 8 K ein und liefert 17,6 MeV. Nur zu Prüfzwecken – Eige tum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=