Sexl Physik 8, Schulbuch

| 92 Allgemein gilt, dass beim Auftreten zusätzlicher radioaktiver Strahlung, etwa durch einen Fallout (radioaktiver Regen oder Staub, …) nach einem Unfall in ei- nem Kernkraftwerk folgende Regeln zu beachten sind: − Vermeidung einer Kontamination (Verunreinigung) des Lebensraums mit radio- aktiven Substanzen. Dies gilt besonders für die Körperoberfläche, daher ist auf Sauberkeit (Kleidung, Wohnung, Hygiene) zu achten. − Vermeidung von Inhalation radioaktiver Substanzen (z. B. Staub). − Vermeidung der Aufnahme radioaktiver Substanzen in der Nahrung. − Bei Strahlenalarm ist, falls möglich, ein Schutzraum aufzusuchen und dort das teilweise Abklingen der Strahlung abzuwarten (bei I-131 beträgt die Halbwerts- zeit 8 Tage ) − Beachtung der Empfehlungen der Behörden. d) Die biologische Wirkung ionisierender Strahlung Wie werden Grenzwerte gesetzt und was bewirkt ionisierende Strahlung im menschlichen Organismus? Wir wissen bereits, dass ionisierende Strahlung Mo- leküle spaltet und Radikale erzeugt. Wird die Strahlung im Plasma einer Zelle absorbiert, so wird dank der großen Anzahl von Molekülen der Zellstoffwechsel kaum beeinflusst. Wird hingegen, was entsprechend seltener vorkommt, der Zell- kern getroffen, so entstehen Schäden an der DNA, dem Träger der genetischen In- formation. Die Zelle verfügt über Enzyme, die derartige Schäden (wie sie auch als Folge der Einwirkung chemischer Substanzen oder sogar ohne erkennbare Ursache entstehen können) repariert. Gelingt diese Reparatur nicht, so stirbt die Zelle ab oder aber es treten Mutationen des Erbgutes auf und die Zelle entartet zur Krebs- zelle. Bei der Schädigung von Keimzellen kann es zu Mutationen und Schäden an der Nachkommenschaft kommen. Während der Zellteilung ist die Reparatur nicht möglich. Daher sind Embryonen und im Wachstum befindliche Kinder, aber auch blutbildende Systeme oder die Haut von Erwachsenen besonders gefährdet. Man nimmt heute an, dass die Häufigkeit von strahleninduzierten Mutationen line- ar mit der Dosis ansteigt. Die Wahrscheinlichkeit für eine Mutation ist sehr gering. Sie wird mit 10 –5 bis 10 –4 pro Zelle und pro Sievert angegeben. Wird eine große Anzahl von Zellen abgetötet, kommt es zur Schwächung des Immunsystems, zu Störungen im Fortpflanzungssystem und zu einer Verringerung der Anzahl der Blutzellen. Bei einer einmaligen Dosis von 0,15 Sv kann es zur Strahlenkrankheit kommen. Das dabei auftretende akute Strahlensyndrom äußert sich vor allem in Übelkeit, Störungen des Blutbilds und des Wasser- und Elektrolythaushaltes. Eine Ganz- körperdosis von 3 Sv führt innerhalb von 30 Tagen in etwa 50 % der Fälle zum Tod. Da viele Mechanismen zu Zellschäden führen und da Krebs im Allgemeinen erst Jahrzehnte nach einem derartigen Schaden auftritt, ist für den Einzelfall eine ein- deutige Zuordnung nicht möglich. Bisherige epidemiologische Untersuchungen ha- ben gezeigt, dass schwache Dosen zu keiner statistisch signifikanten Erhöhung der Krebsrate führen. Das Risiko, an strahleninduzierten Tumoren zu sterben, beträgt bei einer einmaligen Ganzkörperdosis von 100 mSv etwa 0,8 % , bei lebenslanger Belastung mit 1 mSv/a vermutlich weniger als 0,6 % . Die Maßnahmen zum Schutz des Menschen vor ionisierender Strahlung orientieren sich an den Empfehlungen des ICRP. Sie besagen unter anderem: Jeder Betrag an Strahlung stellt ein Schadensrisiko dar. Jede über die natürliche Strahlenbelastung hinausgehende Dosis sollte so niedrig sein, wie dies unter Berücksichtigung aller relevanten sozialen, wirtschaftlichen und medizinischen Faktoren möglich ist. 92.1 Nach der Entdeckung des Radiums wurden Flüssigkeiten mit geringem Radiumge- halt als Heilmittel angeboten. Radonhaltiges Wasser wird auch heute noch zur Therapie und in Heilbädern wie Bad Gastein zur Anwendung verwendet. 92.2 Ein nach der Tschernobylkatastrophe geborenes, missgebildetes Kind (Minsk, 1992). Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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