Sexl Physik 8, Schulbuch
67 | 67.1 Seidenfaden einer Spinne unter dem Mikroskop 67.2 Ein Tropfen nimmt beim Abrollen die lose auf dem Blatt liegenden Schmutzpartikel auf und reinigt so die Oberfläche. Der Lotus- Effekt schützt Pflanzen gegen krankmachende Keime, wie z. B. Bakterien und Pilzsporen. Diese werden regelmäßig durch Regen von den Blättern entfernt. 67.3 Lotuseffekt bei Fassadenfarbe Partikel 67.4 Kontaktfläche zwischen Blattoberflä- che und Wassertropfen auf einem Lotusblatt. Die Kontaktfläche ist viel kleiner als das Partikel selber. 67.5 Nadelholz (links) ist einfacher gebaut als Laubholz (rechts). Beide erreichen ihre Materialeigenschaften durch gezielte Struktur (Abwechslung von dichten und weniger dichten Bereichen, wodurch Festigkeit und Flexibilität des Materials entstehen). Seine Stabilität erhält der dünne Faden durch lange Eiweißketten, Seidenproteine, die in einer unstrukturierten Trägermasse „schwimmen“. Zuckermoleküle an der Oberfläche gewährleisten die notwendige Feuchtigkeit. Unter dem Elektronenmi- kroskop kann man erkennen, dass ein Haltefaden aus mehreren Einzelsträngen besteht, was die enorme Reißfestigkeit teilweise erklärt. Doch die genaue Er- forschung der Eigenschaften dieses Materials (maximale Dehnbarkeit bei guter Dämpfung, damit aufprallende Insekten nicht weggeschleudert werden) erwies sich als äußerst kompliziert. Um die Eigenschaften des Spinnenfadens zu reprodu- zieren, hat man nun Bakterien gentechnisch so verändert, dass sie Seidenproteine, die Ausgangsstoffe für vielfältige industrielle Produkte, erzeugen. Untersuche, überlege, forsche: Oberflächenspannung 67.1 Die Leimtröpfchen auf einem Spinnenfaden sind regelmäßig angeordnet ( 66.3 ). Ursache ist die Oberflächenspannung (Physik 6, S. 12). Eine genaue Erklärung und eine Versuchsanordnung findest du unter physikplus.oebv.at Lotuseffekt ( 67.2–4 ): Eine für die Materialforschung sehr interessante Entde- ckung wurde in den 1970er Jahren an der Lotusblume gemacht. Ihre Blätter haben die besondere Fähigkeit, sich selbst zu reinigen. Dieser Lotuseffekt findet heute in vielen Bereichen Anwendung. So gibt es z. B. Fassadenfarben, die Wasser und Schmutz von Hauswänden einfach abperlen lassen, oder Keramikgefäße, die nicht verschmutzen können, sowie Outdoorbekleidung, die wasser- und schmutzabwei- send ist. Die Struktur der Oberfläche spielt dabei eine wesentliche Rolle. Sie ist nicht glatt, sondern genoppt. Die Schmutzpartikel liegen daher nur auf den äu- ßersten Spitzen der Oberfläche auf, wodurch aufgrund der geringen Kontaktfläche die Adhäsionskräfte zwischen den Schmutzpartikeln und der Oberfläche sinken. Die Adhäsionskräfte zwischen dem Wassertropfen und dem Partikel sind größer als zwischen dem Partikel und der Oberfläche. Daher haften die Partikel am Was- sertropfen und werden abtransportiert. (Eine genauere Erklärung des Lotuseffekts sowie Versuche dazu findest du unter physikplus.oebv.at ). Biomimetik: Biologische Materialien wie Holz, Knochen oder Zähne sind im Laufe der Evolution von der Natur für ihre jeweiligen Anwendungen optimiert worden. Die Bauprinzipien dieser Gewebe, ihre Eigenschaften und ihre Funktion liefern für die Materialwissenschaft wichtige Erkenntnisse, die sich für „biomimetisches“ De- sign von neuartigen Werkstoffen einsetzen lassen. So wird z. B. Zellulose aus Holz gewonnen und ist daher ein nachwachsender Roh- stoff und biologisch abbaubar. Zellulosefasern zeichnen sich durch ihre Festigkeit und Elastizität aus, deren Ursachen in der Molekülform der Makromoleküle liegen, die in langen Fäden parallel zueinander angeordnet sind. Zur Zeit werden immer neue „intelligente“ Produkte auf Zellulosebasis entwickelt, z. B. piezoelektrische Fasern, die sich unter elektrischer Spannung verformen. In den Steg eines Tennis- schlägers eingebaut, könnten Faserstoffe die Aufprallenergie zwischenspeichern und wieder abgeben. Seit langem verwendet man saugfähige Zelluloseprodukte zum Putzen oder zur Wundabdeckung. Untersuche, überlege, forsche: Bionik 67.2 Das Wort Biomimetik leitet sich von den griechischen Begriffen bios (Leben) und mimesis (Nachahmung) ab. Im Deutschen verwendet man dafür auch den Begriff „Bio- nik“ ( Bio logie + Tech nik ). Hole Informationen über diesen Wissenschaftsbereich ein und nenne derzeit aktuelle Forschungsgebiete! Strukturierung: Anstatt viele Stoffe zu verwenden, kommt die Natur für den Groß- teil ihrer Materialien mit relativ wenigen Grundelementen aus, die gezielt struktu- riert werden. Viele dieser Bauprinzipien sind noch unbekannt oder physikalisch ungeklärt und bieten ein weites Betätigungsfeld für Materialphysiker/innen. Es geht darum, je nach Verwendungszweck Materialien mit optimalen Eigenschaften zu erzeugen. Über die Struktur der Moleküle werden bestimmte Eigenschaften wie Durchlässigkeit, Festigkeit, Elastizität usw. erreicht. Nur z Prüfzw cken – Eige tum des Verlags öbv
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