Sexl Physik 8, Schulbuch

53 | Interdisziplinäre Physik In der Medizin ermöglichte die Zusammenarbeit mit der Biophysik, der Materialwissenschaft und der Computertechnik zahlreiche Entwicklungen in der Diagnostik und der Chirurgie. So wurden etwa künstliche Hände entwickelt, die ein Patient über das Nervensystem steuern kann. Verbesser- te Implantate verschiedener Körperteile (etwa Augenlinsen, Hüftgelenke etc.) sind auf Entwicklun- gen in den Materialwissenschaften zurückzuführen. Interdisziplinäre Forschung in den Naturwissenschaften macht es möglich, das Wissen und die Arbeitstechniken verschiedenster Bereiche zur Beantwortung komplexer Fragen zu nutzen, die im Rahmen der einzelnen Disziplinen nicht beantwortet werden können. Beispiele dafür wurden in den vorangegangenen Bänden Physik 5–7 vorgestellt, etwa die Entwicklung von Hörimplantaten, von medizinischen Diagnoseverfahren oder die Bioakustik. Thema dieses Kapitels sind Wissenschaftsbereiche, in denen Forscher und Forscherinnen bei der Lö- sung einzelner Fragen auf ihre Zusammenarbeit angewiesen sind. In der Bionik und der Nanotechnologie arbeiten in Forschung und Entwicklung Experten und Expertinnen aus Physik, Informatik, Technik, Biologie und Che- mie. Ihre Visionen haben bereits zum Teil Eingang in unseren Alltag gefunden oder sind dabei realisiert zu werden: Oberflächenbeschichtungen, die wie die Haifischhaut den Strömungswiderstand verringern, verhalfen gestern Schwim- mern zu neuen Rekorden und werden morgen Treibstoff bei Flugzeugen sparen. Handys könnten Gespräche in unterschiedlichen Sprachen gleichzeitig überset- zen. Intelligente Autos können mit Sensoren den Verkehr beobachten und bei Gefahr eingreifen. Roboter sollen die Hausarbeiten erledigen. Wie schnell sich unser Alltag vor allem durch die verbesserte Computerleistung verändert hat, zeigen etwa die Smartphones: Ihre Rechenleistung entspricht Großcomputern vor 20 Jahren, mit Kamera und anderen Sensoren ausgestattet können sie jedoch vielfältig und mobil genutzt werden. Die Materialwissenschaft erforscht, wie Werkstoffeigenschaften von der Struk- tur abhängen und wie gezielte Strukturveränderungen zur Herstellung neu- er Werkstoffe genutzt werden können. Beispiele aus diesem interdisziplinären Forschungsbereich sind etwa „Biomaterialien“, die in der Medizin eingesetzt werden. Die physikalischen und chemischen Eigenschaften solcher Materiali- en entscheiden über ihre Biokompatibilität, d. h. ihre Verträglichkeit mit dem menschlichen Körper. Meteorologie und insbesondere die Fragen zum weltweiten Klimawandel sind ein in den Medien häufig diskutiertes interdisziplinäres Forschungsgebiet. Zum Ver- ständnis des Klimas und seiner Änderung werden Daten der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit, aber auch Zeugnisse noch früherer Klimaänderungen benötigt. Dabei arbeiten Experten und Expertinnen aus den Erdwissenschaften, der Paläontologie, der Geschichte mit jenen aus Meteorologie, Chemie, Physik, Biologie, angewandter Mathematik und Informatik zusammen, um aus den Daten mit Modellrechnungen mögliche Klimaentwicklungen abschätzen zu können. Um Maßnahmen zu steuern müssen wirtschaftliche und politische Entscheidungen diskutiert werden. Die Chaosforschung machte deutlich, dass sich das Verhalten vieler Systeme be- reits bei kleinen Änderungen von Parametern schlagartig ändern kann. Mit dem in der Öffentlichkeit stark beachteten Thema „chaotische Systeme“ leistete sie wichtige Beiträge zu vielen Disziplinen, darunter auch Medizin und Wirtschafts- wissenschaften. Ihre Entdeckung steht im Zusammenhang mit der Meteorologie und wurde durch die Entwicklung des Computers gefördert. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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