Sexl Physik 8, Schulbuch
43 | Ein Grundlagenexperiment – Die Beugung von Fußbällen Die Beugung von Fußbällen am Tor hat noch niemand beobachtet. Es stellt sich je- doch die Frage, wie komplex Quantenobjekte, z. B. größere Moleküle, sein dürfen und immer noch Beugung zeigen? Wo liegt die Grenze zwischen Quantenobjek- ten und makroskopischen, klassichen Objekten, die keine Interferenzen zeigen? Im Jahr 1999 gelang M arKus a rNdt und a NtoN Z eiliNger (Universität Wien) der Nachweis, dass auch große Moleküle an Beugungsgittern Interferenz zeigen. Sie benutzten C 60 -Moleküle, die aus 60 Kohlenstoffatomen bestehen und wie verkleinerte Fußbälle aussehen ( 43.1 ). 43.2 zeigt schematisch die Anord- nung: In einem Ofen wird festes C 60 verdampft, einzelne Moleküle verlassen we- gen ihrer Wärmebewegung (s. Physik 6, S. 26) den Ofen. Durch Spaltblenden wird ein Molekülstrahl hergestellt. Dieser trifft auf ein Beugungsgitter aus Si- liciumnitrid mit Spalten und Stegen, die Gitterkonstante ist 100 nm . Zum Nach- weis des Beugungsbildes hinter dem Gitter werden die Moleküle durch einen Laserstrahl ionisiert, die elektrisch geladenen Molekülionen werden schließlich in elektronischen Zählern registriert. Die Moleküle (etwa 1 nm groß) sind entsprechend der Temperatur im Ofen im Mittel etwa 200 m/s schnell und haben eine de Broglie-Wellenlänge von ca. 2,5·10 –12 m . Das Verhältnis von Wellenlänge zu Gitterkonstante ( λ / d ) beträgt 1/40 000 , entsprechend klein wird das Beugungsbild! Auch wenn sich in einem schwachen Molekülstrahl jeweils nur einzelne Moleküle zwischen Ofen und De- tektor befinden, ergibt eine Langzeitmessung ein Interferenzbild ( 43.3 ): C 60 -Moleküle zeigen durch Beugung am Gitter Welleneigenschaften. 2012 schreibt Markus Arndt einleitend zu einer Veröffentlichung in Nature Na- notechnology: The observation of interference patterns in double-slit experiments with massive particles is generally regarded as the ultimate demonstration of the quantum nature of these objects. […] quantum interference can be observed when single particles arrive at the detector one by one. The build-up of such patterns […] with electrons has been described as the „most beautiful experiment in physics“. 3.4 Die Heisenberg’sche Unschärferelation Wie kann man den aus dem Alltag vertrauten Begriff der Teilchenbahn verstehen, wenn eine Welle mit Beugungserscheinungen die Wahrscheinlichkeit bestimmt, ein Teilchen an einem bestimmten Ort zu finden? ( 43.5 )? Wie genau lassen sich Teilchenbahnen festlegen? Um Elektronen mit genau bestimmter Bahn experimentell zu erzeugen, verwenden wir eine Braun’sche Röhre ( 44.1 ), in der die Teilchen zunächst durch eine Span- nung beschleunigt werden. Wir lassen die Elektronen dann durch ein feines Loch in der Anode durchtreten, um einen Elektronenstrahl zu erhalten, der einen be- kannten Durchmesser hat. Am Bildschirm der Röhre entsteht ein kleiner Leucht- fleck. Wie klein können wir den Blendendurchmesser d wählen, so dass der Leuchtfleck scharf bleibt? Versuche mit Wasserwellen (s. Physik 7, S. 31) zeigen, worauf es an- kommt ( 44.2 ). Aus einer ebenen Welle einen Strahl auszublenden gelingt recht gut, solange der Blendendurchmesser d viel größer als die Wellenlänge λ ist. Wenn jedoch die Blendenöffnung ähnlich groß wie die Wellenlänge ist, dann beobachten wir Beugungserscheinungen. Statt eines scharfen Strahls ergeben sich Kreis- wellen. Für die Elektronenwelle bedeutet dies ein Auseinanderlaufen der Elekt- ronen. Um einen Teilchenstrahl zu erhalten, in dem alle Teilchen parallel laufen, müssen wir also die Blendenöffnung wesentlich größer wählen als die de Broglie- Wellenlänge der Teilchen. Damit ergibt sich: Teilchenbahnen können nur mit einer Genauigkeit von einigen de Broglie-Wellenlängen festgelegt werden. 43.1 Das C 60 -Molekül setzt sich – wie ein Fußball – aus Fünf- und Sechsecken zusam- men, die Striche stellen Einfach- und Doppel- bindungen der C-Atome dar. Wegen seiner Ähnlichkeit zu Kuppelkonstruktionen des Architekten Buckminster Fuller (1895–1983) wird es Fulleren genannt. Ofen 100 nm Beugungsgitter Fotoionisation Ionen- zähler Laser Kollimationsspalte 1,04 m 1,25 m 43.2 Prinzip des Beugungsexperiments mit C 60 . 43.3 Beugung von C 60 am Gitter: Einzelne Moleküle bauen das Interferenzmuster auf (Messpunkte), das sehr gut mit der erwarteten Kurve (Linie) übereinstimmt. 43.4 Das C 60 -Experiment erfordert ein Hoch- vakuum – und viel Einsatz. 43.5 Elektronenspuren in der Blasenkam- mer: Die Elektronen scheinen genau bestimm- ten Bahnen zu folgen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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