Sexl Physik 8, Schulbuch

| 42 42.1 Erst 1961 gelang der Nachweis der Beu- gung von Elektronen an einem Doppelspalt. 1989 konnte erstmals der langsame Aufbau des Beugungsbilds mit einzelnen Elektronen beobachtet werden. Diese Abbildung zeigt (a) 8, (b) 270, (c) 2000 , (d) 60000 Elektronen. Neutronenstrahl reflektierende Ebenen Phasenschieber Si-Perfektkristall Analysator Detektor 0 0,25 0,5 Dicke des Phasenschiebers in mm 0 0,5 1,0 Intensität I 0 42.2 Aus einem idealen Siliciumkristall ist dieses Neutroneninterferometer geschnitten worden. Die Stege wirken durch Neutronen- beugung als Strahlteiler. Bringt man in einen Strahlengang ein Medium, das die Phase der Neutronenwelle verändert, so verschieben sich die Interferenzstreifen im Detektor. 42.3 Dieser Schifahrer scheint ein Quantenob- jekt zu sein – er hinterlässt paradoxe Spuren. (Karikatur aus The New Yorker, 1940) Führt man den Versuch jedoch mit Elektronen durch, findet man bei engen Spalten völlig andere Resultate: − Bei Abdeckung eines Spaltes entsteht ein breites unscharfes Bild des anderen, offenen Spaltes (Beugung am Einfachspalt). − Wenn beide Spalte offen sind, ergibt sich das typische Interferenzbild einer Wel- le am Doppelspalt: W 12 ≠ W 1 + W 2 . Die Auftreffwahrscheinlichkeit am Schirm wird durch die Interferenz bestimmt. ( 41.3 unten, 42.1 d ) Dadurch liegt auch für Elektronen die folgende Interpretation nahe: Born’sche Deutung (II) Das Verhalten der Elektronen beim Durchgang durch einen engen Spalt wird durch eine Welle Ψ beschrieben. Die Wahrscheinlichkeit W des Auftreffens eines Elektrons an einer bestimmten Stelle des Schirmes wird durch das Quadrat der Amplitude dieser Welle Ψ  2 bestimmt. Sind Elektronen Wellen? Was wellt? Die Amplitude der mit Teilchen verknüpften Welle wird üblicherweise mit dem grie- chischen Buchstaben Ψ (Psi) bezeichnet. Die Bezeichnung Materiewelle (Elektronen- welle, Neutronenwelle usw.) ist zwar gebräuchlich, führt jedoch zu Missverständ- nissen, da sie suggeriert, dass eine Wellenbewegung materieller Teilchen vorliegt. Die Wellenfunktion Ψ muss man jedoch als Wahrscheinlichkeitswelle deuten, de- ren Quadrat Ψ 2 die Aufenthaltswahrscheinlichkeit W der zugehörigen „Teilchen“ bestimmt. Um zwischen klassischen Teilchen (z. B. Sandkörnern) und den durch eine Wellenfunktion bestimmten „Teilchen“ zu unterscheiden, wollen wir letztere als Quantenobjekte bezeichnen. Warum bestimmt Ψ 2 und nicht Ψ die Aufenthaltswahrscheinlichkeit? Nehmen wir eine reine Sinuswelle y 0 ·sin 2 π ( t / T – x / λ ) (s. Physik 6, S. 84) als Bei- spiel für eine Wellenfunktion Ψ . Diese Funktion nimmt positive und negative Wer- te an und kann daher keine Wahrscheinlichkeit darstellen. Bei der Lichtbeugung am Spalt (S. 40) zeigte sich, dass viele Photonen dort auftreffen, wo nach der Wel- lentheorie die Intensität der Welle groß ist. Intensität entspricht dem Betragsqua- drat der Wellenfunktion. Daher kann Ψ 2 mit der Eigenschaft Ψ 2 º 0 eine Aufent- haltswahrscheinlichkeit darstellen. Selbst wenn bei geringer Strahlintensität die Elektronen einzeln durch den Ver- suchsaufbau fliegen, ergibt sich, wenn beide Spalte offen sind, ein Interferenzbild. ( 42.1 ) Fliegen vielleicht halbe Elektronen durch die Spalte, um anschließend mit der anderen Hälfte zu interferieren? Um dies zu überprüfen, könnte man direkt hinter jedem Spalt Zähler für Elektronen anbringen. Man könnte erwarten, halbe Elektronen zu zählen. In solchen Experimenten werden jedoch immer ganze Elektronen registriert. Allerdings verschwindet, wenn beide Spalte offen sind, durch die Messung des Ortes von Elektronen das Interferenzbild. Wenn man also weiß, durch welchen Spalt Teilchen gehen, dann interferieren sie nicht. Man kann nicht im selben Ex- periment die Interferenz der Teilchen hinter den Spalten eines Beugungsgitters und die Bahnen der Elektronen beobachten. Das Doppelspaltexperiment mit einzelnen Elektronen führt auf eine fundamen- tale Frage, die für die Quantenphysik typisch ist: Haben Quantenobjekte überhaupt Bahnen, wenn ihr Ort nicht gemessen wird? Wenn man nicht entscheiden kann, durch welchen Spalt das Elektron gegangen ist, kann man nicht von einer „Bahn“ des Elektrons sprechen. Die de Broglie-Beziehung gilt nicht nur für Elektronen: 1974 wurde am Atomins- titut der Österreichischen Hochschulen in Wien von H. r auch erstmals die Inter- ferenz von Neutronenstrahlen beobachtet ( 42.2 ) und zu wichtigen Grundlagen- versuchen der Quantenphysik genutzt. Die Interferenz von Teilchenstrahlen wurde auch bei Atomstrahlen beobachtet. Die Wellenoptik von Atom- und Molekülstrah- len ist ein aktuelles physikalisches Forschungsgebiet. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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