Sexl Physik 8, Schulbuch
| 110 Wir kommen damit zur Vorstellung, dass jede elektrische Ladung von einer Wol- ke virtueller Photonen umgeben ist. Diese Photonen werden ständig emittiert und absorbiert und bilden in ihrer Gesamtheit das Feld in der Umgebung der Ladung. Bringt man eine zweite Ladung in die Nähe, so werden manche virtuelle Teilchen von dieser Ladung absorbiert, wodurch Energie übertragen wird. Je weiter die La- dung entfernt ist, desto länger braucht das virtuelle Teilchen, desto weniger Ener- gie und Impuls überträgt es: die Kraft nimmt mit dem Abstand ab. Es hat sich gezeigt, dass für alle Arten von Kräften die Überträger-Teilchen Bo- sonen sind (siehe Tabelle S. 112). Die elektrische Wechselwirkung zwischen geladenen Teilchen einschließlich der Erzeugung und Vernichtung von Elektron-Positron-Paaren wird erfolgreich durch die Quantenelektrodynamik (QED) beschrieben. Kräfte zwischen Teilchen werden durch Überträger-Teilchen vermittelt. Das Photon ist das Überträger-Teilchen der elektromagnetischen Wechselwirkung. Eine Anwendung dieser Vorstellung auf die Kernphysik lässt uns die geringe Reichweite der Kräfte (ca. 10 –15 m ) zwischen Protonen und Neutronen in Atom- kernen verstehen. Die Austauschteilchen sind Pionen mit einer Masse von ca. 140 MeV/ c 2 , die aus je einem Quark und einem Antiquark bestehen. Soll ein virtuelles Teilchen mit der Masse m erzeugt werden, so ist dazu die Energie Δ E = mc 2 erforderlich. Diese Energie kann nur für die Zeitspanne Δ t = h / Δ E aufgebracht werden. In dieser Zeit kann das virtuelle Teilchen höchstens die Strecke Δ s = c Δ t = ch / Δ E = h /( mc ) ≈ 10 –15 m zurücklegen. Die Reichweite des Kraftfeldes ist also begrenzt und hängt von der Masse m des Überträger-Teilchens ab. Bei Abständen, die wesentlich größer als die Reichweite sind, sind die Kräfte vernachlässigbar klein. Die Reichweite des elektrischen Feldes ist unendlich, weil das Photon mas- selos ist. Die Kraft zwischen elektrischen Ladungen im Abstand r ist proportio- nal zu r –2 , sie ist auch in beliebig großen Abständen noch wirksam. Das Vakuum Das Konzept der virtuellen Teilchen führt zu einer Revision der Vorstellungen über den leeren Raum , das Vakuum. Wir haben bereits in der Elektrizitätsleh- re gesehen, dass der materiefreie Raum in der Umgebung von Ladungen Träger eines Feldes ist. Wie wir nun sehen, sind mit diesen Feldern virtuelle Teilchen verknüpft. Es werden nicht nur dauernd virtuelle Teilchen von Ladungen emit- tiert und absorbiert, sondern es entstehen auch virtuelle Teilchen-Antiteilchen- paare (Masse 2 m ) für Zeitdauern Δ t < h /(2 mc 2 ) – das Vakuum wimmelt von Teilchen ( 110.2 , 110.3 ). Man könnte meinen, ob nun das Vakuum voll von virtuellen Teilchen ist oder nicht, sollte keinen Einfluss auf Messgrößen haben. Dies ist aber falsch. Die Quantenelektrodynamik (QED) erlaubt die Berechnung der Wechselwirkung zwischen Elektronen und Photonen. Wegen seines Spins hat das Elektron ein magnetisches Moment, es verhält sich wie eine kleine Magnetnadel. Experi- mentell findet man eine kleine Abweichung von jenem Wert, den es nach der Dirac’schen Theorie besitzen sollte. Die äußerst mühsame Rechnung im Rah- men der QED liefert auf 10 Stellen den gleichen Wert wie das Experiment. Da- durch wird die Quantenelektrodynamik zu jener physikalischen Theorie, die am genauesten überprüft ist. Um diese gute Übereinstimmung zwischen Experi- ment und Berechnung zu erreichen, müssen die virtuellen Teilchen berücksich- tigt werden. auslaufendes Elektron einlaufendes Elektron Austausch eines virtuellen Photons auslaufendes Protron einlaufendes Protron Quarks 110.1 Die Streuung eines Elektrons an ei- nem Proton ist als Austausch eines „virtuellen“ Photons zwischen dem Elektron und einem der drei Quarks im Proton dargestellt. virtuelles Teilchen 110.2 Das elektrische Feld um ein geladenes Teilchen wird hier durch eine Wolke virtueller Photonen dargestellt. Sie werden für kurze Zeit ausgesendet und später wieder absor- biert. Analoge Vorstellungen werden für alle Kräfte benutzt. Zeit Elektron virtuelles Photon 110.3 Nach dem Unschärfeprinzip kann sich ein Teilchen Energie „leihen“ und virtuelle Teilchen erzeugen. Prozesse dieser Art müssen bei der Berechnung des magne- tischen Moments des Elektrons berücksichtigt werden. (Die berechnete Größe stimmt auf 10 Stellen mit der gemessenen überein!) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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