Sexl Physik 8, Schulbuch
107 | Teilchenspuren sichtbar machen Das älteste Instrument ist die Nebelkammer (s. Physik 6, S. 35). Schnelle geladene Teilchen erzeugen Ionen in einem unterkühlten Dampf und dadurch Kondensationskeime, der ent- stehende Kondensstreifen zeigt die Teilchen- bahnen. In Blasenkammern wird eine unter Druck ste- hende Flüssigkeit (z. B. flüssiger Wasserstoff) verwendet. Wenn nach dem Durchgang ioni- sierender Teilchen der Druck reduziert wird, setzt entlang der Ionen Sieden ein, die kleinen Dampfblasen zeigen die Teilchenbahnen an. Die Spuren werden fotographiert. Funkenkammern ( 107.2 ) arbeiten elektro- nisch, die mühsame Auswertung von Fotos entfällt. 107.1 Bei Kollisionen von Teilchen entstehen oft neue kurzlebige Teilchen. Hier sind beim Stoß eines Pions π – gegen ein Proton (Kern ei- nes H-Atoms) in einer Wasserstoff-Blasenkam- mer zwei neutrale Teilchen (K 0 , Λ 0 ) entstanden, die keine Spuren hinterlassen. Nach kurzer Wegstrecke zerfallen beide Teilchen in gelade- ne Teilchen mit Spuren im Detektor. 107.2 Funkenkammern: In modernen elektronischen Zählern werden ionisierende Teilchen mittels tausender feiner Drähte registriert. Das Gas in der Kammer des Zählers wird entlang der Flugbahnen der geladenen Teilchen ionisiert. Zwischen den unter Hoch- spannung stehenden Drähten springen Funken über, deren Orte elektronisch registriert werden. Dadurch lassen sich die Teilchenbahn- en automatisch berechnen. Zerfall von Teilchen Die meisten neu erzeugten Teilchen (s. Tabelle auf S. 108) sind sehr kurzlebig und zerfallen wieder in andere Teilchen. 107.1 zeigt, wie ein negatives Pion π – , das zuvor in einer anderen Reaktion erzeugt wurde, auf ein Proton trifft, wodurch Pion und Proton in zwei neutrale Teilchen, Λ 0 und K 0 , umgewandelt werden. Die erzeugten Teilchen zerfallen nach einer Strecke d ≈ 10 cm . Da sich die Teilchen beinahe mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, können wir ihre Lebensdauer τ ab- schätzen: τ > ≈ s ≈ 3 · 10 –10 s . Mögen solche Lebensdauern bereits kurz erscheinen, so sind andere Teilchen mit Lebensdauern von 10 –16 s oder gar 10 –24 s noch wesentlich kurzlebiger. In der Teilchenphysik wird statt der Halbwertszeit T 1/2 die mittlere Lebensdau- er τ angegeben. (Zerfallskonstante λ = 1/ τ , daher T 1/2 = τ ·ln2 .) Der Zerfall einzelner Teilchen erfolgt zufällig. Die zeitliche Abnahme der Teilchenzahl N ( t ) folgt dem aus der Kernphysik bekannten Exponentialgesetz: Wenn N 0 Teilchen gleichzeitig erzeugt wurden, so beträgt ihre Zahl nach Verstreichen der Zeit t N ( t ) = N 0 e – t / τ . Stabile Teilchen: Photonen, Elektronen und Protonen sind nach heutigem Wissen stabile Teilchen, d. h. sie zerfallen nicht in andere, leichtere Teilchen. Neutrinos ν sind weitere stabile Teilchen (s. S. 111). Sie sind elektrisch neutral, haben eine sehr kleine, bisher noch nicht messbare Masse, sie bewegen sich daher fast mit Lichtge- schwindigkeit und werden beim β -Zerfall der Neutronen und von Kernen gemein- sam mit Elektronen emittiert (s. S. 92). Fermionen Der Spin (Eigendrehimpuls ) der Teilchen ist eines ihrer wichtigsten Merkmale. Teil- chen mit Spin ½ –h (z. B. Elektron, Neutrino, Proton und Neutron) heißen Fermio- nen (benannt nach dem italienischen Physiker e Nrico F erMi (1901–1954, N obelpreis 1938 ). Für Fermionen gilt das Pauli-Prinzip (Physik 7, S. 42), wonach sich zwei Teilchen im selben Quantenzustand in mindestens einer Eigenschaft unterscheiden müssen. Das Pauli-Prinzip erklärt die Schalenstruktur der Atomhüllen. Jedes Orbital kann höchstens zwei Elektronen enthalten, deren Spinrichtungen einander entgegenge- setzt sind. Bosonen Teilchen mit Spin 0 , –h , 2 –h , … heißen Bosonen und sind nach dem indischen Phy- siker S. b ose (1894–1974) benannt. Photonen sind Bosonen. Für Bosonen gilt das Pauli-Prinzip nicht: Beliebig viele Bosonen können denselben Zustand besetzen. Dadurch wird z. B. die stimulierte Emission beim Laser möglich. Teilchenzahlerhaltung bei Fermionen Da viele nach dem Energiesatz mögliche Teilchenreaktionen nicht beobachtet wer- den, folgert man die Gültigkeit von Erhaltungssätzen für Größen, die wie die elektrische Ladung additiv sind. Beispielsweise wäre die Umwandlung eines Pro- tons p in ein Antiproton –p in der Reaktion e – +p ¥ e + + –p zwar energetisch möglich und würde den Erhaltungssatz der elektrischen Ladung nicht verletzen, jedoch wurde sie nie beobachtet. Hingegen kann man mit hinrei- chend energiereichen Teilchenstrahlen die Reaktion e – +e + ¥ p+ –p erhalten. Man schließt daher daraus auf die Existenz weiterer Erhaltungsgrößen – in diesem Fall einer Elektronenzahl (Differenz der Anzahl der Elektronen und der Anzahl der Positronen) und einer Nukleonenzahl: Nur zu P üfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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