Mathematik HTL 4/5, Schulbuch
8 1.1 Was ist Stochastik? Ich lerne den Begriff Stochastik kennen und ich lerne zu entscheiden, ob ein Vorgang vom Zufall gelenkt wird oder nicht. Das Leben jedes Menschen wird durch Vorgänge bestimmt, die wir grundsätzlich in zwei Gruppen teilen können: 1. Vorgänge, die eindeutig bestimmt sind, nach einer bestimmten Gesetzmäßigkeit ablaufen und in ihren Auswirkungen zweifelsfrei vorhersehbar sind, zum Beispiel: Es ist sicher, dass die Sonne morgen wieder zu einer bestimmten Zeit aufgehen wird. Es ist klar, was mit Wasser geschieht, wenn ich es über 100 °C erhitze oder unter 0 °C abkühle. 2. Vorgänge, die vom Zufall gelenkt oder mitbestimmt werden, das heißt, dass die Gesetzmä- ßigkeiten ihrer Abläufe für uns nicht durchschaubar sind, zum Beispiel: Welches Wetter wird am Tag des Ferienbeginns sein? Werde ich in den nächsten 10 Jahren eine bestimmte Krankheit bekommen? Während die Vorgänge der ersten Gruppe durch naturwissenschaftliche Modelle (in Physik, Chemie, Astronomie usw.) erfasst werden, befinden wir uns in der zweiten Gruppe im Bereich der Stochastik . Unter Stochastik versteht man den Wissenschaftsbereich, der sich mit Wahrscheinlichkeitsrech- nung, mathematischer Statistik und deren Anwendungsgebieten befasst. Kurz und prägnant kann man Stochastik auch als Mathematik des Zufalls bezeichnen. Die Bezeichnung Mathematik des Zufalls wirkt auf den ersten Blick widersprüchlich. Die Mathe- matik gilt doch als die exakte Wissenschaft, in der eindeutig nachgewiesen werden kann, ob die Lösung einer Aufgabe richtig oder falsch ist. Demgegenüber bezeichnet man mit Zufall gerade die Phänomene, die sich einer exakten Berechenbarkeit entziehen. Dass es sich dennoch als sinnvoll herausstellt, mathematische Modelle für bestimmte zufällige Vorgänge zu erstellen, hat im Wesentlichen zwei Gründe: 1. In einem zufälligen Vorgang ist es meist möglich, die Chance des Auftretens bestimmter Aus- gänge in natürlicher Weise durch Zahlen zu beschreiben. Beispiel: Wenn ich etwa aus 100 Bauteilen, von denen 7 Ausschussstücke sind, eines zufällig aus- wähle, so wird die Zahl 7 _ 100 = 0,07 eine Bedeutung für die Chance der Wahl eines Ausschussstücks haben. 2. Betrachtet man zufallsbeeinflusste Vorgänge nicht einzeln, sondern in großer Zahl, so stellt man das Auftreten bestimmter Gesetzmäßigkeiten fest. Beispiel: Ein Atom eines radioaktiven Materials wird zerfallen. Wann das geschieht, ist unvorher- sehbar. Bei einer größeren Menge dieses Materials kann man aber ziemlich genau vorhersagen, welcher Anteil nach einer bestimmten Zeit zerfallen sein wird. Die Formulierung solcher Gesetzmäßigkeiten ist ein wesentlicher Bestandteil mathematischer Modelle. Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich in einer Vielzahl von Gebieten, die prinzipiell einer mathematischen Behandlung zugänglich sind, zum Beispiel: Versicherungswesen: Alle Berechnungen beruhen hier auf ungewissen Ereignissen wie Ein- tritt von Schadensfällen, Schadenshöhen, Lebensdauern usw. Stochastik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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