Mathematik HTL 4/5, Schulbuch

169 4.1 Lineare Differentialgleichungen der Ordnung 1 644 Bis zum Zeitpunkt 0 s ist an einen Kondensator mit der Kapazität C über einen Ohmschen Widerstand R eine Gleichspannung der Stärke U 0 angelegt. Nun wird der Schalter geschlossen und der Kondensator entlädt sich über den Widerstand R (siehe Zeich- nung). Mit u R bezeichnen wir die Funktion, die jedem Zeitpunkt t die Spannung u R (t) am Kondensator zur Zeit t zuordnet. a. Beschreibe die Funktion u C , die jedem Zeitpunkt t die Span- nung u C (t) am Kondensator zur Zeit t zuordnet, als Lösung einer Anfangswertaufgabe. Hinweis: i = C·u C ’ b. Löse diese Anfangswertaufgabe. c. Zeichne den Graphen der Funktion u C für U 0 = 100V, R = 1 k Ω , C = 10 μ F. Inhomogene lineare Differentialgleichungen der Ordnung 1 Bei linearen Gleichungen mit mehreren Unbekannten haben wir uns überlegt: Die Lösungsmenge einer linearen Gleichung erhalten wir, indem wir irgendeine Lösung dieser Gleichung bestimmen und dazu alle Lösungen der entsprechenden homogenen linearen Gleichung addieren. Dasselbe gilt für lineare Differentialgleichungen. Wenn die Funktion g eine Lösung der inhomogenen linearen Differentialgleichung y’ + a·y = s ist und h eine Lösung der linearen Differentialgleichung y’ + a·y = 0 ist, dann ist auch g + h eine Lösung von y’ + a·y = s, denn (g + h)’ + a·(g + h) = g’ + h’ + a·g + a·h = (g’ + a·g) + (h’ + a·h) = s + 0 = s. Sind umgekehrt f und g Lösungen von y’ + a·y = s, dann ist ihre Differenz h = f – g wegen (f – g)’ + a·(f – g) = f’ + a·f – (g’ + a·g) = s – s = 0 eine Lösung der homogenen linearen Differentialgleichung y’ + a·y = 0. Wegen f = g + (f – g) = g + h ist jede Lösung der Differentialgleichung y’ + a·y = s die Summe der einen Lösung g und einer Lösung h der entsprechenden homogenen linearen Differential- gleichung. Wir fassen zusammen: Die Lösungsmenge einer linearen Differentialgleichung der Ordnung 1 erhalten wir, indem wir irgendeine Lösung dieser Differentialgleichung bestimmen (diese wird dann häufig eine partikuläre Lösung genannt) und dazu alle Lösungen der entsprechenden homogenen linearen Differentialgleichung addieren. Um irgendeine Lösung der inhomogenen Gleichung y’ + a·y = s zu finden, wenden wir den folgenden „Trick“ an: Die Funktion h mit h(t) = e ‒at ist eine Lösung der homogenen Differential- gleichung y’ + a·y = 0, also ist h’ = ‒ a·h. Weil diese Funktion keine Nullstellen hat, können wir jede Funktion f durch sie dividieren und dann als Produkt f = h· f _ h anschreiben. Welche Bedingung muss die Funktion g = f _ h erfüllen, damit f eine Lösung der Differentialgleichung y’ + a·y = s ist? Wenn f = h·g eine Lösung ist, muss f’ + a·f = s sein. Anwenden der Produktregel ergibt h’·g + h·g’ + a·h·g = s. Wegen h’ = ‒ a·h folgt daraus s = ‒ a·h·g + h·g’ + a·h·g = h·g’. Somit ist g’ = s _ h und für alle Zahlen t ist g’(t) = s(t) _ e ‒at = s(t)·e at . Falls wir eine Stammfunktion g dieser Funktion g’ berechnen können, ist h·g eine Lösung von y’ + a·y = s. t = 0s U 0 R u R u C C A, B Lösungsmenge einer linearen Differential- gleichung der Ordnung 1 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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