Elemente und Moleküle, Schulbuch

77 4.3 reDOX-reaKTiOnen Elektrolyse und Spannungsreihe Wird mit Gleichspannung elektrolysiert, ist zur ständigen Abscheidung von Elektro- lyseprodukten eine Mindestspannung erforderlich. Diese Mindestspannung nennt man Zersetzungsspannung U z . Jedem konjugiertem Redox-Paar entspricht ein be- stimmtes „Abscheidungspotenzial“, das im Prinzip identisch mit dem Standardpo- tenzial ist. Die Zersetzungsspannung kann daher aus der Spannungsreihe (analog wie die Potenzialdifferenz bei freiwilligen Reaktionen) ermittelt werden. Die Ab- scheidungspotenziale (Katode: Vorzeichen wie in der Spannungreihe; Anode: ent- gegengesetztes Vorzeichen) werden addiert und ergeben die Zersetzungsspannung. Da es sich hier um erzwungene Vorgänge handelt, besitzen diese Spannungen im- mer ein negatives Vorzeichen. Es läuft immer der Vorgang mit der geringsten Zersetzungsspannung ab (nur der Betrag wird betrachtet). In der Praxis zeigt es sich, dass oft eine höhere als die er- wartete Spannung notwendig ist, um einen Stoff abzuscheiden. Dieser Spannungs- mehrbetrag dient zur Überwindung der Aktivierungsenthalpie und wird Überspan - nung ( U Ü )genannt. Überspannungen sind bei der Abscheidung von Metallen gering. Bei der Abscheidung von Gasen, wie zB O 2 und H 2 , tritt allerdings eine stärkere Hemmung der Elektrodenreaktion ein. Die dadurch notwendige Überspannung führt zu einer starken Abweichung von theoretischem und praktischem Abscheidungs- potenzial. Daher kann man nur bei Kenntnis der Überspannungen Voraussagen über den tatsächlichen Ablauf einer Elektrolyse geben. Überspannungen sind vom Elektrodenmaterial und seiner Oberflächenbeschaffen- heit, von der Art und Konzentration des Elektrolyten und von der Temperatur ab- hängig. So besitzen Sauerstoff und Wasserstoff in neutraler Lösung an Grafitelekt- roden eine beträchtliche Überspannung. Die tatsächlichen Abscheidungspotenziale dieser beiden Gase lassen sich schwer quantifizieren. Trotzdem sind in die Span- nungsreihe auf Seite 262 Werte für die O 2 - und H 2 -Abscheidung aufgenommen, die zumindest eine grobe Abschätzung der Elektroden-Reaktionen ermöglichen. Über- spannungen sind meist unerwünscht. Man versucht den Effekt durch geeignete Maßnahmen zu verhindern. Bei der Standardwasserstoffelektrode wird die Oberfläche der Platin-Elektrode durch Aufbringen einer porösen, schwammartigen Platinschicht („platinieren“) ver- größert und damit der Überspannungseffekt verringert. Manchmal sind solche Überspannungseffekte aber durchaus günstig, weil so unerwünschte Elektroden- Reaktionen unterdrückt werden können. Abschätzung der Zersetzungsspannung (in der Praxis wird zumeist mit etwas grö- ßerer als der hier berechneten Spannung gearbeitet): Beispiele: 1. Elektrolyse einer wässrigen CuCl 2 -Lösung an inerten Elektroden: Katode: Cu 2+ + 2 e – → Cu E ° = 0,35 V Anode: 2Cl – → Cl 2 + 2 e – E ° = –1,36 V U z = ca. –1 V (Allerdings besitzt auch Chlor an Grafit-Elektroden eine Überspannung.) 2. Elektrolyse einer wässrigen NaCl-Lösung an inerten Elektroden: Katode: 2 H 2 O + 2 e – → H 2 + 2 OH – E = ca. –1,4 V Anode: 2Cl – → Cl 2 + 2 e – E ° = –1,36 V U z = ca. –2,8 V 3. Elektrolyse einer wässrigen CuSO 4 -Lösung an inerten Elektroden: Katode: Cu 2+ + 2 e – → Cu E ° = 0,35 V Anode: 2 H 2 O → O 2 + 4 H + + 4 e – E = ca. –1,9 V U z = ca. –1,6 V 4. Elektrolyse einer wässrigen Na 2 SO 4 -Lösung an inerten Elektroden: Katode: 2 H 2 O + 2 e – → H 2 + 2 OH – E = ca. –1,4 V Anode: 2 H 2 O → O 2 + 4 H + + 4 e – E = ca. –1,9 V U z = ca. –3,3 V ■ 77.1: Bestimm die theoretische Zer- setzungsspannung bei der Elek- trolyse einer wässrigen Kupfer(II)- sulfat-Lösung an Kupfer-Elektroden! ÜBUNGeN ■ 77.1: Demonstration der Überspan - nung Gib in eine kleine Glasschale eine Zink-Gra- nalie und bedecke sie mit so verdünnter Salzsäure, dass keine Wasserstoffentwick- lung mehr eintritt! Wasserstoff hat an der Zinkoberfläche eine deutliche Überspan- nung, daher bleibt die Reaktion mit der Salzsäure aus. Nun berühr die Zink-Grana- lie mit einem Platindraht! Sofort setzt an der Platinoberfläche Wasserstoffent-wick- lung ein, da der Wasserstoff dort praktisch ohne Überspannung abscheidbar ist! Na- türlich geht dabei Zink in Lösung und nicht Platin. Wird der Kontakt zum Zink unter- brochen, hört die Wasserstoffentwicklung sofort auf. SCHÜLeRVeRSUCH H 2 O H 2 + OH – O 2 + H + H 2 O O 2 + H + H 2 O Oxidationskraft Reduktionskraft H 2 O H 2 + OH – 2 1 0 –1 U z U Ü U Ü Abb. 77.1: Zersetzungsspannung und Überspannung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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