Elemente und Moleküle, Schulbuch

In Lösung wirken Aminosäuren als Puffer (sowohl saure als auch basische Funktion). In stark saurer Lösung wird die Aminogruppe protoniert. Die Protolyse der Carbo- xylgruppe ist stark zurückgedrängt, die Aminosäure liegt als Kation vor. In stark ba- sischer Lösung ist die Carboxylgruppe praktisch vollständig deprotoniert, die Ami- nogruppe als schwache Base hat ein freies Elektronenpaar. Die Aminosäure liegt als Anion vor. Bei einem bestimmten pH-Wert, den man isoelektrischen Punkt nennt, ist die Aminosäure auch in Lösung ein Zwitterion (Abb. 190.1). Die Lage des isoelek- trischen Punktes hängt vom Einfluss des Restes R ab und ist von Aminosäure zu Aminosäure verschieden. Der isoelektrische Punkt ist zugleich der Puffer-pH, der sich in einer konzentrierteren wässrigen Lösung der Aminosäure einstellt. Keinesfalls liegen Aminosäuren in der Form wie in Abb. 189.6 vor. Diese Strukturformel wird aber oft als bewusste Vereinfachung verwendet (zB bei Kondensationsreaktionen). Meist wird allerdings die Zwitterionenformel bevorzugt, die den wirklichen Zustand besser wiedergibt. Große Bedeutung besitzen Aminosäuren als Bausteine der Eiweißstoffe (Kap. 12). Diese Aminosäuren tragen die Aminogruppe am 2. C-Atom ( α -Aminosäuren) und sind bis auf die einfachste α -Aminosäure – Aminoessigsäure (Glycin) – chiral. In der Natur tritt nur die S-Form auf. Die nichtchirale g -Aminobuttersäure (GABA) spielt biochemisch eine wichtige Rolle (Neurotransmitter). 10.3 AMIDE Amide sind Derivate der Carbonsäuren . Die OH-Gruppe der Carboxylgruppe ist durch die NH 2 -Gruppe ersetzt (Abb. 190.2). Sie können durch Reaktion von Säurehalogeni- den mit Ammoniak gebildet werden. Die Benennung erfolgt entweder durch „Carbonsäureamid“ oder häufiger durch den (lateinischen) Stammnamen der entsprechenden Säure und der Endung -amid . Die Amide mit einer NH 2 -Gruppe nennt man auch primäre Amide. Auch durch Reaktion mit primären oder sekundären Aminen werden Amide gebildet. Bei der Benennung dieser am Stickstoff substituierten Amide stellt man zur Ver- deutlichung der Bindungsverhältnisse vor den Alkylnamen die Bezeichnung N (= Stickstoff). Diese Amide werden auch sekundäre bzw. tertiäre Amide genannt. Amide reagieren durch das nichtbindende Elektronenpaar am N-Atom basisch. Sie sind aber deutlich schwächere Basen als die Amine. Anstelle der Säurechloride können auch Ester oder Säureanhydride zur Amidsynthe- se eingesetzt werden. Vergleiche dazu die Bildung von DMF (Kap. 10.1) aus Kohlen- stoffmonoxid, dem Säureanhydrid der Ameisensäure! Bekannt ist das Diamid der Kohlensäure, der Harnstoff (Abb. 190.3). Die Wöhler´sche Harnstoffsynthese aus an- organischem Salz war der Grundstein der modernen organischen Chemie. Harnstoff stellt das Endprodukt des Eiweißstoffwechsels dar. Der Mensch scheidet täglich ca. 20–30 g aus. Technisch gewinnt man Harnstoff aus Kohlenstoffdioxid und Ammoniak: CO 2 + 2 NH 3 → (NH 2 ) 2 CO + H 2 O Harnstoff wird als Dünger eingesetzt oder zu Kunststoffen weiterverarbeitet. Bei der Reaktion von Harnstoff mit Malonsäure bzw. Malonsäurederivaten wird die cy- clische Barbitursäure gebildet. Derivate der Barbitursäure – Barbiturate – wurden früher als Schlafmittel eingesetzt. Aminosäuren können bei geeignetem Abstand von Carboxyl- und Aminogruppe ringförmige Amide bilden. Diese Verbindungen nennt man Lactame . Technische Bedeutung besitzt ε -Caprolactam als Ausgangsstoff für die Synthese des Polyamids Perlon (Kap. 14.2). ε -Caprolactam wird technisch allerdings nicht aus der Aminosäu- re, sondern aus Cyclohexanon hergestellt. R C O Cl H N H H R C O N H H H Cl Carbonsäurechlorid Ammoniak Carbonsäureamid Abb. 190.2: Molekülmodell und Strukturformel von Ethansäureamid (Acetamid) pH-Wert Isoelektrischer Punkt C OO C H H 3 N R C OO H C H H 3 N R C OO C H H 2 N R O H H 3 O Abb. 190.1: Isoelektrischer Punkt – Zwitterion C N N O H H H H C O O O H H Kohlensäure Kohlensäurediamid = Harnstoff Abb. 190.3: Harnstoff, das Diamid der Kohlensäure ■ 190.1: Erstell die Strukturformel der g -Amino-buttersäure (GABA)! Wie lautet der systematische Name dieser Verbindung? ■ 190.2: Wie reagiert eine konzentrierte Glycinlösung mit Salzsäure, wie mit Natronlauge ? Formulier die Reaktionsglei- chungen der Protolysereakti- onen; geh dabei von der Zwitteri- onenform aus! ■ 190.3: Zu welchem Pol wandert 2-Ami- no-propansäure bei der Elektro- phorese im sauren Milieu? ÜBUNGeN H 3 C C O N H H 190 10 oRGANISCHe StICKStoff-VeRBINDUNGeN Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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