Elemente, Schulbuch

53 3.3 TherMOcheMIe Die Reaktionsentropie ∆ S Zum Verständnis der Entropie gibt es mehrere Zugänge. Eine sehr anschauliche In- terpretation ist die Angabe der Entropie als Maß für die Unordnung. Unordnung lässt sich nicht exakt definieren, doch ist leicht einsehbar, dass ein regelmäßiger Kristall geordneter ist als ein Gas oder dass die wässrige Lösung eines Salzes unge- ordneter ist als das feste Salz. Das freiwillige Streben nach Unordnung ist ein physikalisches Grundgesetz. So wird sich in einem Raum nie Sauerstoff in einer Ecke und Stickstoff in der ande- ren Ecke ansammeln, ja selbst wenn man die Gase trennt, erfolgt nach Aufhebung der Trennwand sofort wieder Durchmischung. Auch Tabakrauch bleibt nicht beim Raucher, sondern verteilt sich gleichmäßig im Raum. Im Alltag hat man ein Gefühl entwickelt, in welche Richtung Vorgänge ablaufen können. Dies merkt man sofort, wenn ein Film verkehrt abläuft. Zeigt man nur eine einfache Bildfolge, wie zB die Verteilung von Himbeersaft im Wasser, sind die Zeitabfolge und die Richtung ein- deutig durch unsere Erfahrung festgelegt. Das spontane Durchmischen erscheint wahrscheinlich, die Umkehrung unrealistisch. Fällt ein Stein aus einer gewissen Höhe zu Boden, ist dies nicht verwunderlich; potenzielle Energie wandelt sich in kinetische Energie um und diese in Wärme. Der umgekehrte Vorgang, der nach dem Energie- erhaltungssatz möglich wäre, findet nicht statt. Kinetische Energie ist eine geord- nete organisierte Bewegung, Wärme dagegen eine regellose, ungeordnete Bewe- gung der Teilchen. Es ist einfacher, geordnete Bewegung in ungeordnete überzuführen als die Umkehrung. Die Wahrscheinlichkeit, dass alle Teilchen des erwärmten Steines im selben Augenblick in eine Richtung schwingen und so den Stein vom Boden abheben (Wärme ⇒ kinetische Energie ⇒ potenzielle Ener- gie), ist so gering, dass dieser Vorgang nie stattfindet. Allen Stoffen kann ein bestimmter Unordnungszustand – ein Entropiewert – zuge- ordnet werden. Die Entropie der Stoffe ist vom Stoffaufbau, vom Aggregatzustand und von der Temperatur abhängig. Die Entropie nimmt mit steigender Temperatur zu, weil die ungeordnete Wärmebewegung zunimmt. Am absoluten Nullpunkt wäre die Entropie eines aus gleichen Atomen bestehenden idealen Kristalls gleich null. Molare Entropiewerte stammen aus kalorimetrischen Messungen bei Standardbe- dingungen. Die Einheit der molaren Entropie S ° ist kJ/K • mol. Die Messwerte stim- men in vielen Bereichen mit qualitativen Überlegungen und dem Unordnungsbegriff überein. ( S °-Werte siehe Tabelle im Anhang) Analog zur Enthalpieänderung tritt bei jeder Reaktion eine Entropieänderung ∆ S ° auf. Die Entropieänderung ist die Differenz zwischen der Summe der Entropien der Endstoffe und der Summe der Entropien der Ausgangsstoffe. Sie wird Reaktionsen- tropie genannt. ∆ S ° = ∑ n • S ° (Endstoffe) – ∑ n • S ° (Ausgangsstoffe) Ist die Entropieänderung positiv, so steigt die molekulare Unordnung (Lagenvielfalt) der Teilchen. Eine Entropiezunahme bei der Reaktion bedeutet das Erreichen eines wahrscheinlicheren Zustandes und daher einen Antrieb für die Reaktion. Ebenso wie das „Streben nach dem Energieminimum“ ist das „Streben nach dem Entropie- maximum“ als Grund für das Ablaufen von Naturvorgängen zu sehen. Beispiel: Verbrennung von Ethanol: ∆ S R ° = [2 • S ° (CO 2 ) + 3 • S ° (H 2 O) ] – [ S ° (C 2 H 5 OH) + 3 • S ° (O 2 ) ] ∆ S R ° = [2 • (0,214) +3 • (0,070)] – [(0,161) + 3 • (0,205)] = –0,138 kJ/K ■ 53.1: Berechne die Reaktionsentropie für die Bildung von HCl (g) aus den Elementen! ■ 53.2: Berechne die Reaktionsentropie für die Zersetzung von Distickstoff- pentoxid! ■ 53.3: Berechne die Reaktionsentropie für die Erdgasspaltung mit Wasser- dampf! Reaktionsgleichungen siehe S. 52! ÜBUNGEN Hohe Ordnung = kleine Entropie Geringe Ordnung = große Entropie Unwahrscheinlich Wahrscheinlich F p K p Temperatur Entropie Abb. 53.1: Entropie und Unordnung Abb. 53.2: Verteilung von Gasteilchen Abb. 53.3: Temperaturabhängigkeit der Entropie Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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