Elemente, Schulbuch
139 6.2 lUFt als technIscher ROhstOFF Die Luftzerlegung Die Aufgabe einer Luftzerlegungsanlage besteht darin, die Luft in ihre Hauptbe- standteile – Stickstoff, Sauerstoff, Argon – zu zerlegen und je nach Bedarf flüssig oder gasförmig abzuführen. Dazu benutzt man den im letzten Kapitel erwähnten Joule-Thomson-Effekt, verflüssigt aber nicht die ganze Luft (altes Linde-Verfahren), sondern benutzt ein mehrstufiges Trennverfahren (Abb. 139.1). Die Luft wird über Filter und Molekularsieb gereinigt, stufenweise komprimiert (bis 50 bar) und danach jeweils gekühlt. Die so komprimierte und vorgekühlte Luft tritt in die so genannte Cold Box ein, wo sie mit der argonhältigen Restluft aus der Ver- flüssigung auf –80 °C abgekühlt wird. Der Großteil dieser stark abgekühlten Luft wird über eine Expansionsturbine auf 5,5 bar „entspannt“. (Die Energie der Turbine wird zum Antrieb der Kompressoren verwendet.) Die durch die Expansion verflüs- sigte Luft wird nun in eine Trennkolonne geführt. (Die nicht entspannte Restluft wird ebenfalls in diese Kolonne entspannt.) In dieser Hochdruckkolonne (5,5 bar) trennen sich Stickstoff und Sauerstoff vor, die getrennt in die Niederdruckkolonne (0,5 bar) geführt werden. Aus dieser zieht man Stickstoff, Sauerstoff und ein argonreiches Gemisch ab. Das letztere wird weiter gereinigt und so wie Stickstoff und Sauerstoff in einen Tank geführt. Verwendung der Luftkomponenten Sauerstoff Die Zerlegung der flüssigen Luft wird primär zur Produktion von reinem Sauerstoff betrieben. Etwa 25 % verbraucht die Stahlindustrie (LD-Verfahren). Durch Neuent- wicklungen wie das Corex-Verfahren wird die Produktion von Sauerstoff für diesen Bereich in Zukunft noch bedeutender werden. Ein beachtlicher Teil der Sauerstoffproduktion wird in der Schweißtechnik benötigt. Hier werden Acetylen-Sauerstoffbrenner bei der Metallbearbeitung und Wasser- stoff-Sauerstoffbrenner bei der Quarzglasbearbeitung eingesetzt. Sauerstoff wird auch zu vielen Synthesen in der organischen Chemie benötigt, wie zB, ausgehend von Erdöl, zur Herstellung von Alkoholen und Carbonsäuren. Flüssiger Sauerstoff wird als Oxidationsmittel in Raketen und, gemischt mit brenn- baren Substanzen, als Sprengstoff verwendet. Noch größere Bedeutung könnte der Sauerstoffherstellung in Zukunft bei der Koh- levergasung (Abb. 139.3) zukommen. Durch ein Gemisch von Sauerstoff und Wasser- dampf kann Kohle direkt in ein Synthesegas (Mischung aus CO und H 2 ) umgewandelt werden. Der Sauerstoff reagiert dabei mit der Kohle exotherm, der Wasserdampf endotherm. Man hofft, mit dieser Methode in Zukunft Kohle in der Lagerstätte ver- gasen und das Gas wie Erdgas fördern zu können und somit den bergmännischen Abbau zu umgehen. Dadurch könnten heute noch nicht gewinnbare Kohlelagerstät- ten rentabel ausgebeutet werden. Stickstoff Das Nebenprodukt Stickstoff wird in flüssiger Form gehandelt und dient zur Erzeu- gung tiefer Temperaturen, zB beim Tiefkühlen von Lebensmitteln. Als Inertgas wird Stickstoff auch zum Transport von Kunststoffgranulat verwendet. Dieses wäre an der Luft durch Verdampfen restlicher Ausgangskomponenten höchst feuergefähr- lich. Der bei der Luftzerlegung in großen Mengen anfallende Stickstoff wird zuneh- mend auch zur Ammoniaksynthese eingesetzt. Argon Argon ist hauptsächlich als Schutzgas zum Schweißen oxidationsempfindlicher Me- talle im Einsatz. Dabei hält das Schutzgas den Luftsauerstoff von der Schweißstel- le fern. Auch zur Füllung von Glühlampen wird Argon verwendet. Andere Edelgase Die seltenen Edelgase Krypton und Xenon werden bei der Herstellung spezieller Glühlampen (zB Autoscheinwerfer) und Leuchtstoffröhren benötigt. “Cold Box” Argongewinnung O 2 Ar Kühlung 50 bar 5,5 bar Energie Niederdruck- säule Hochdruck- säule 50 bar Kühlung Kompression Reinigung Luft N 2 Turbine Stahlindustrie Schweißen und Schneiden Oxidation von Ethen Ammoniakverbrennung Schutzgas Glühlampen Stickstoff Sauerstoff Argon Schutzgas Ammoniak- erzeugung Gefriertrocknung von Lebensmitteln L U F T C + H 2 O → CO + H 2 ∆ H > 0 2 C + O 2 → 2 CO ∆ H < 0 3 C + O 2 + H 2 O → 3 CO + H 2 CO + H 2 O → CO 2 + H 2 Abb. 139.3: Verwendung der Luftkomponenten Abb. 139.2: Reaktionen bei der Kohlevergasung Abb. 139.1: Schema der Luftzerlegung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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