Reichel Mathematik 8, Schulbuch
89 3.1 Das bestimmte Integral als Grenzwert von Summen 3 In Verallgemeinerung dessen ist es daher möglich und sinnvoll, das bestimmte Integral als gemeinsa- men Grenzwert der Ober- und Untersummen zu definieren und seinen Wert als Flächeninhalt unter f zwischen a und b zu interpretieren . Damit haben wir die Definition von S. 60 dann „umgedreht“. 2. Das bestimmte Integral mittels Ober- und Untersummen definieren Wir wollen obige Überlegungen für beliebige stetige Funktionen durchführen: Sei f: y = f (x) eine auf [ a ; b ] stetige Funktion, von der wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit annehmen können, dass sie positiv ist. Dann nimmt f (weil f stetig ist) auf jedem Teilintervall [ x i – 1 ; x i ] einen kleinsten und einen größten Wert an . Somit gibt es in jedem Intervall [ x i – 1 ; x i ] jeweils (mindestens) ein ξ 1 , i mit f ( ξ 1 , i ) = inf{f (x) ‡ x i – 1 ª x ª x i } und (mindestens) ein ξ 2,i mit f ( ξ 2,i ) = sup{f (x) ‡ x i – 1 ª x ª x i } . Nun bilden wir analog zu Beispiel A die Untersummen s n = Δ x· ; i = 1 n f ( ξ 1 , i ) und die Obersummen S n = Δ x· ; i = 1 n f ( ξ 2,i ) . Die Folge k s n l konvergiert, ebenso die Folge k S n l : Wir bezeichnen 1 øim n ¥ • s n = s und øim n ¥ • S n = S Wenn wir noch zeigen können, dass s = S , dann kann dieser Wert offenbar wieder als Flächeninhalt un- ter f zwischen a und b gedeutet werden und wir können das Integral : a b f(x)·dx durch eben diesen Wert definieren, und zwar ohne dass wir die Existenz des Flächeninhaltes schon vor ausgesetzt hätten. Es bleibt also zu zeigen, dass s = S . Das aber folgt aus der Stetigkeit von f , wie Fig. 3.4a anschaulich lehrt. Der Grenzübergang n ¥ • bedeutet ja Δ x ¥ 0 und dabei ziehen sich nicht nur die Intervalle [x i – 1 ; x i ] auf einen Punkt zusammen, sondern es fallen auch im Grenzwert jeweils f ( ξ 1 , i ) und f ( ξ 2,i ) mit f (x) zusammen, sodass die Summanden in der Obersumme und der Untersumme sich an- gleichen. Und das bedeutet wie gewünscht: øim n ¥ • f ( S n – s n ) = 0, aøso øim n ¥ • s n = øim n ¥ • S n Wir haben also im Grunde nichts Neues gelernt, nur eine andere (tiefere) Sichtweise des bestimmten Integrals erarbeitet. Sie fußt auf der Summe von kleinen Flächenelementen mit der Breite Δ x und der Höhe (im Grenzwert) f (x i ) . Daraus ergibt sich nun auch die auf S. 62 versprochene „genauere“ Erklä- rung für das (von LEIBNIZ 1675 eingeführte) Integralzeichen: Es soll an ein „ S “ (für Summe) erinnern. Mit x i * [a; b] wird mit wachsendem n „im Grenzwert“ aus dem f (x i ) das f (x) und aus dem Δ x das dx : ; i = 1 n f (x i )· Δ x ¥ : a b f(x)·dx Das ist gemeint, wenn man sagt: Das bestimmte Integral ist das kontinuierliche Analogon zur Summen- bildung. Und es ist dieser Aspekt, der bei den zahlreichen Anwendungen der Integralrechnung – vgl. die folgenden Kapitel – zum Tragen kommt! 1 Man bezeichnet s auch als „unteres Integral“, S als „oberes Integral“ von f auf [ a ; b ]. AN 4.1 F 3.4 Fig. 3.4a x y 0 x 0 = a x i‒1 x i ξ 1,i ξ 2,i x n = b y = f(x) Fig. 3.4b x y 0 a x i‒1 x i b A 318 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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