Reichel Mathematik 8, Schulbuch

189 I.3 Kurven und Flächen 2. Grades I Kurven und Flächen 2. Grades Als Kegelschnitte haben wir die (nicht zerfallenen) ebenen Schnitte eines Drehkegels bezeichnet (vgl. Buch 7. Kl. S. 221). Alle werden durch eine algebraische Gleichung 2. Grades mit zwei Variablen Ax 2 + Bxy + Cy 2 + Dx + Ey + F = 0 , mit A , B , C , D , E , F * R     (*) beschrieben. Man kann sich nun fragen, ob jede algebraische Gleichung 2. Grades mit zwei Variablen eine Ellipse (insbesondere einen Kreis), eine Hyperbel oder eine Parabel beschreibt, und wenn ja, wie man aus der Gleichung erkennt, welcher Typ vorliegt. Dazu betrachten wir das Verhalten der Kurve „im Unendlichen“. Ellipsen (Kreise) besitzen keine reellen Fernpunkte (Punkte im Unendlichen), Parabeln genau einen Fernpunkt (den Fernpunkt ihrer Achse) und Hyperbeln genau zwei Fernpunkte (die Fernpunkte ihrer Asymptoten). Um mit Fernpunkten operieren zu können – die Darstellung ( •1• ) hilft ja nicht weiter – bedienen wir uns eines Tricks. Wir legen einen Fernpunkt durch die zugehörige Richtung (Steigung k ) zu ihm fest, also am einfachsten durch eine Gerade y = k·x . Der Schnittpunkt dieser Geraden mit dem Kegelschnitt „im Unendlichen“ (also für x ¥ • ) liefert den zugehörigen Fernpunkt. Rechnerisch bewältigen wir diese Schnittaufgabe wie folgt: Wir setzen aus der Geradengleichung y = k·x für y in die Gleichung Ax 2 + Bxy + Cy 2 + Dx + Ey + F = 0 ein und erhalten Ax 2 + Bkx 2 + Ck 2 x 2 + Dx + Ekx + F = 0 . Nun dividieren wir durch x 2 (dabei können wir x ≠ 0 voraussetzen, da uns nur das Verhal- ten im Unendlichen interessiert) und lassen x gegen • gehen:  ​ øim   x ¥ • ​ ​ “  A + Bk + C​k​  2 ​+ D·​  1 _  x ​+ Ek·​  1 _  x ​+ F·​  1 __  ​x​  2 ​ ​  § ​= A + B·k + C·k 2 Je nachdem, ob die Gleichung A + B·k + C·k 2 = 0 keine, eine oder zwei reelle Lösungen hat, kann eine Ellipse (ein Kreis), eine Parabel oder eine Hyperbel vorliegen. Für das Verhalten im Unendlichen sind also nur die Koeffizienten A , B und C verantwortlich. Offen bleibt allerdings die Frage, ob jede Gleichung 2. Grades mit zwei Variablen eine Ellipse (einen Kreis), eine Parabel oder eine Hyperbel beschreibt. Dies ist sicher nicht der Fall, weil zB die Gleichung x 2 + y 2 = ‒1 eine nullteilige Kurve beschreibt, die keinerlei reelle Punkte enthält – Erkøäre! Auch die durch x 2 – y 2 = 0 angegebene Kurve stellt keine Hyperbel dar, da man x 2 – y 2 = 0 umformen kann zu (x – y)·(x + y) = 0 , was sich wieder aufspalten lässt in x – y = 0 und x + y = 0 , also in die Gleichungen zweier Geraden. Man kann sich das so vorstellen, dass die Hyperbel x 2 – y 2 = c , c ≠ 0 auf ihre beiden Asymptoten (die 1. und 2. Mediane) „abmagert“. Aber auch die Kurve, deren Gleichung x 2 + 2xy + y 2 = 9 bzw. 0 ist, stellt keinen Kegelschnitt dar. Durch die Umformung zu (x + y) 2 = 9 bzw. 0 erkennt man, dass es sich um ein „Paar paralleler Geraden“ mit den Gleichungen x + y = 3 und x + y = ‒3 bzw. eine „dop- peltzählige Gerade“ mit der Gleichung x + y = 0 handelt. Letztere entspricht einer bis auf ihre Achse „abgemagerten“ Parabel. Wir können daher durch das Feststellen der Nullstellen der Gleichung A + B·k + C·k 2 = 0 nur erkennen, um welchen Typ eines Kegelschnitts es sich handeln könnte, nicht aber, welcher Kegelschnitt tatsäch- lich vorliegt. Es sei denn, man greift zu einem sprachlichen Trick und nimmt die singulären Kegel- schnitte zu den regulären Kegelschnitten Ellipse (Kreis), Parabel und Hyperbel dazu: Man spricht im Fall, dass keine (reellen!) Punkte auftreten, von einer nullteiligen Ellipse, bei einer doppeltzähligen Ge- raden von einer ausgearteten Parabel und bei einem Geradenpaar von einer zerfallenen Hyperbel. Diese einheitliche Beschreibung der Kegelschnitte durch eine Gleichung 2. Grades mit zwei Variablen spiegelt sich in der einheitlichen Beschreibung der Tangenten mittels der Spaltform wider. In den Hauptlagen haben wir die Gleichung der Tangente in einem Punkt T (x T 1 y T ) aus der Kegelschnittsglei- chung durch Aufspalten von x 2 in x T ·x und von y 2 in y T ·y gewonnen. Bei allgemeiner Lage des Kegel- schnitts zum Koordinatensystem zerlegt man in der Gleichung (*) zusätzlich x in (x T + x)/2 , y in (y T + y)/2 und x·y in (x T ·y + x·y T )/2 . Setzt man statt T (x T 1 y T ) irgendeinen Punkt P (x P 1 y P ) in die Spaltform ein, so er- hält man die zu P gehörende Polare p bezüglich des (notwendigerweise regulären ) Kegelschnitts. I.3 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=