Reichel Mathematik 8, Schulbuch

112 (Weitere) Anwendungen der Integralrechnung 3 Sei Y = Z + λ ·​ ​ _ À  y​ die Parameterdarstellung der Röntgenstrahlgeraden und s der längs dieser Geraden im Gehirn zurückgelegte Weg. Die Intensitätsabnahme dI/ds an jeder Stelle des Gehirns ist direkt propor­ tional zur Energie (Röntgenstrahlintensität) I an dieser Stelle. Man erhält die Differentialgleichung  ​  dI __ ds ​= ‒f·I mit der Lösung I = I 0 ·e ‒f·s (*) Dabei ist I = I (s, f) die Austrittsintensität, s die Weglänge und f der materialabhängige Absorptionskoef- fizient, der bei einem homogenen Medium eine Konstante wäre, hier aber eine Funktion f (X) ist, die bei jedem Punkt X * R 3 proportional zur jeweiligen (uns unbekannten) Massendichte ist. Da es für unser Bild aber nur auf Verhältniswerte der Massendichten bei den Punkten X des Gehirns ankommt, setzen wir den Proportionalitätsfaktor zwischen Massendichte m(X) und Absorptionskoeffizient f (X) gleich 1 . Dh.: Im Exponenten von (*) steht f für die Funktionswerte f (X) = m(X) . Überdies – und jetzt kommt das Wesentliche – erfolgt die Absorption sozusagen bei jedem Punkt X der Röntgenstrahlgeraden (innerhalb des Gehirns). Wir müssen daher längs der ganzen Geraden integrieren, also über alle Parameterwerte λ vom Eintrittspunkt des Röntgenstrahls in das Gehirn bis zu seinem Austrittspunkt. Und weil wir anneh- men, dass außerhalb des Gehirns keine Absorption erfolgt – dort setzen wir f = 0 – , integrieren wir ein- fach von – • bis + • . Insgesamt erhalten wir also statt (*)  I = I 0 ·​e ​  ​ :  – • ​  • ​‒​f(Z + λ ​ ​ _ À  y​)·d λ ​ und nach Division durch I 0 und anschließendem Logarithmieren:  øn I 0 – øn I = ​ :  – • ​  • ​f​(Z + λ​ ​ _ À  y​)·d λ In dieser Gleichung ist der linke Wert (durch Messung) bekannt, die Funktion f unter dem Integralzeichen ist aber unbekannt. Eine solche Gleichung heißt Integralgleichung . Der österreichische Mathematiker Johann RADON (1887–1956), unter anderem Professor an der Universität Wien, hat neben vielen anderen wichtigen Ergeb- nissen in der Integrationstheorie bewiesen, dass man theoretisch aus unendlich vielen solchen Gleichungen die Funktion f eindeutig berechnen kann. In der Praxis kann man die Funktion f mit modernen numerischen Methoden aus ei- nigen tausend solchen Gleichungen mit dem Computer berechnen. Man benötigt hierfür einige tausend Stellungen des Röntgenstrahls, was im Scanner rein technisch dadurch erwirkt wird, dass der Röntgenstrahl gedreht und parallel ver- schoben wird. Die so ermittelten Werte der Masseverteilung f (X) kann man mit Hilfe elektronischer bildgebender Instru- mente in ein Querschnittsbild des zu un- tersuchenden Mediums verwandeln. Man sieht: Die Erzeugung solcher Quer- schnittsbilder beruht letztlich auf mathe- matischen Methoden, wobei eben Integra- le eine ganz wesentliche Rolle spielen. S  43f Johann RADON Fig. 3.38 F  3.38 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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