Reichel Mathematik 7, Schulbuch
93 2 Wir rechnen dies durch Differenzieren der Para- meterdarstellung der Hüllkurve wie folgt nach: dx __ dt = d (2 t – 1) ______ dt = 2 dy __ dt = d (2 t – 2 t 2 ) _______ dt = 2 – 4 t Auf die gesuchte Steigung kommen wir über die folgende (durch die Kettenregel und das Rechnen mit Differentialen gedeckte) Umformung dy __ dx = dy __ dt · dt __ dx = dy __ dt __ dx __ dt = 2 – 4 t ____ 2 = 1 – 2 t Man sieht: Die obige Vermutung war richtig! Insgesamt ergeben sich folgende Aussagen: 1. Die einhüllende Kurve ist eine ganz besondere Kurve, nämlich eine Parabel. 2. Die Hüllkurve berührt das Polygon ABC in sei- nen Endpunkten A und C . 3. Der Berührpunkt T ab jeder Berührstrecke T a T b teilt diese im gleichen Verhältnis wie die Punkte T a und T b ihrerseits die Seiten a und b des Poly- gons ABC teilen. Das Besondere und Wertvolle dieses Ergebnisses ist seine Verallgemeinerbarkeit. Unterwirft man das Ausgangspolygon ABC einer affinen Abbil- dung , also einer punkttreuen, geradentreuen (und damit tangententreuen) sowie teilverhältnistreuen Abbildung, so gelten weiterhin die Aussagen 1 bis 3! Infolgedessen definiert jedes (nicht-ausgeartete) Polygon ABC eine Parabel, die die Seiten AB und BC in den Endpunkten A und C berührt. Das Poly- gon ABC „kontrolliert“ somit die (Form der) Para- bel. Man nennt es daher Kontrollpolygon und die Punkte A , B , C Kontrollpunkte . Viele Zeichenprogramme benützen dies, um Para- beln zu zeichnen. Man braucht nur das Kontrollpo- lygon ABC zu definieren und die BÉZIER-Schaltflä- che anklicken . In Sekundenbruchteilen berechnet die Maschine mittels einer Schleife für zig t -Werte aus den Koordinaten von A , B und C die Koordina- ten von zig Punkten T ab . Wie , braucht den Anwen- der nicht mehr zu kümmern. Er profitiert von dem Wissen, das die Erfinder in die Algorithmen zum Generieren von Freiformkurven gesteckt haben. Obwohl man durch Kombination mehrerer Parabeln auch kom- pliziertere Freiformkur- ven „stück- weise“ er- zeugen kann, ist man (be- sonders an den „Nahtstellen“) zu unflexibel. Es ist das Verdienst von Pierre BÉZIER und de CASTELJAU, dies erkannt und die Idee der Faden- grafik rekursiv auf Kontrollpolygone mit n Kon- trollpunkten verallgemeinert zu haben. Fig. 3 zeigt dies für vier Kontrollpunkte A , B , C , D . Erøäutere! Fig. 3 D T c C T bc T b B T abc T ab T a A Rechnungen analog zu denen am Beginn dieses Exkurses zeigen, dass durch 4 , 5 , … , n Kontroll- punkte Kurven definiert werden können, die sich durch Polynome 3ten , 4ten , …, (n – 1)-ten Grades beschreiben lassen. Je mehr Kontrollpunkte, umso „freier“ lässt sich die Kurve „formen“. Aber selbst für große n bleibt die Datenmenge gering – es sind gerademal 2n Koordinaten zu speichern. Erøäutere! Aus diesen drei Gründen, hohe Formfreiheit, ge- ringe Datenmengen und einfache rekursive Erzeu- gung sind BÉZIER-Kurven zu einem unentbehrli- chen Werkzeug zur Erzeugung von Freiformkurven geworden. Du siehst: Mitunter ist es von der spielerischen Beschäftigung mit Mathematik bis zu deren un- entbehrlichem Einsatz nicht weit … F 2a Fig. 2a A B C Fig. 2b A B C D F 2b Nur zu Prüfzwec en – Eigentum des Verlags öbv
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