Reichel Mathematik 7, Schulbuch
2 45 2.0 Wiederholung und Vorschau Die Lösung all dieser Probleme gründet sich dabei immer wieder auf die gleiche Grundidee : Man versucht, die die Vorgänge beschreibenden Funktionen in einer (kleinen) Umgebung einer ge- wünschten Stelle durch eine lineare Funktion zu approximieren. Die rechnerische Realisierung dieser Idee verlangt Überlegungen zu Funktionsgrenzwerten , wie wir sie bereits früher angestellt haben. Seit der 5. Klasse wissen wir (Buch 5. Kl. Kap. 4.0): Eine Funktion f: y = f (x) beschreibt einen Zusammenhang zwi- schen zwei Größen x und y , durch den jedem x-Wert x 0 genau ein y-Wert f (x 0 ) zugeordnet ist. Seit der 6. Klasse wissen wir (Buch 6. Kl. Kap. 7.3): Eine Funktion f heißt stetig bei x 0 , wenn øim x ¥ x 0 f (x) = f (x 0 ). Für das Folgende ist es sinnvoll, diese Limesgleichung so auszu- drücken: Falls Δ x gegen 0 strebt, dann strebt auch Δ y gegen 0 : f stetig bei x 0 É øim Δ x ¥ 0 (f (x 0 + Δ x) – f (x 0 )) = øim Δ x ¥ 0 Δ y = 0 Sowohl der Begriff „Funktion“ als auch der Begriff „Stetigkeit“ ist qualitativer Natur; dh., man kann auf- grund der obigen Definitionen feststellen, ob ein vorgelegter Zusammenhang durch eine Funktion oder sogar eine stetige Funktion beschrieben wird oder nicht. Nicht beschäftigt haben wir uns bisher mit einer – für die Praxis äußerst wichtigen – Frage quantita- tiver Natur: Gesucht ist eine „Maßzahl“ k dafür, „wie schnell“ Δ y bei x 0 gegen 0 strebt, wenn Δ x gegen 0 geht. Mit anderen Worten: Gesucht ist ein Proportionalitätsfaktor k derart, dass möglichst gut gilt: Δ y = k· Δ x . Mit Hilfe dieser direkten Proportion kann man aus der Differenz Δ x die Differenz Δ y ab- schätzen und umgekehrt bei gegebenem Δ y die Differenz Δ x . Diese Frage ist etwa beim näherungsweisen (graphischen) Lösen von Gleichungen f (x) = 0 von Bedeutung. Hat man einen Näherungswert x 0 der wahren Nullstelle x 0 * gefunden, wobei f (x 0 ) von 0 mit dem absoluten Fehler Δ y abweicht, so hängt es von k ab, wie weit x 0 von der wahren Nullstelle x 0 * entfernt liegt. Ist † k † „groß“, also zB 2 , so liegt x 0 „nahe“ an der wahren Nullstelle x 0 * , weil Δ y , das in unserem Beispiel doppelt so groß ist wie Δ x , etwa doppelt so schnell wie Δ x gegen 0 geht ( Δ y und Δ x müssen ja „gleichzeitig“ gegen 0 gehen). Ist † k † „klein“, zB 1 _ 2 , so liegt x 0 „weitab“ von der wahren Nullstelle x 0 * , weil ja Δ y nur etwa halb so schnell wie Δ x gegen 0 strebt. Erkøäre anhand von Fig. 2.2! Diese Frage ist auch beim Rechnen mit Messwerten – also überall in der Technik und den Natur- und Wirtschaftswis- senschaften – von Bedeutung. Gemäß Fig. 2.3 zieht der glei- che absolute Messfehler Δ x bei betragsmäßig „großem“ k einen „großen“, bei betragsmäßig „kleinem“ k einen „klei- nen“ absoluten Fehler Δ y nach sich. Lies in Fig. 2.3 die un- gefähre Größe von k ab und erkøäre! Geometrisch gesehen bedeutet unser Vorgehen die Approximation einer Funktion f bei x 0 durch eine Ge- rade mit der Steigung k . Was aber ist die „am besten“ approximierende Gerade? Mit dieser Frage sind wir bei einem der historischen Ausgangspunkte der Differentialrechnung ange- kommen, beim Tangentenproblem. Fig. 2.1 x y Ú Ú x 0 x f(x 0 ) y f 0 F 2.1 Fig. 2.2 Ú Ú Ú Ú x 0 x 0 x 0 x 0 x y 0 y x y x Fig. 2.3 x y 0 f Ú Ú Ú Ú y x y x Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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