Reichel Mathematik 7, Schulbuch

37 1.7 Rückblick und Ausblick 1 In diesem Zusammenhang wollen wir abschließend eine Stelle einer Novelle des berühmten österreichi- schen Dichters Robert MUSIL (1880–1942) zitieren. Die Novelle „Die Verwirrungen des Zögling Törleß“ handelt von Schülern genau eures Alters und stellt eines der großen österreichischen „Literaturdenk- mäler“ dar. Hier die Stelle, die von genau der Schulsituation handelt, in der du dich jetzt befindest: Gerade an die Mathematik hatte er dabei gedacht. Und richtig war es ihm mitten im Unterrichte heiß in den Kopf geschossen. Gleich nach Beendigung der Stunde setzte er sich zu Beineberg als dem Einzigen, mit dem er über etwas Derartiges sprechen konnte. „Du, hast du das vorhin ganz verstanden?“ „Was?“ „Die Geschichte mit den imaginären Zahlen?“ „Ja. Das ist doch gar nicht so schwer. Man muss nur festhalten, dass die Quadratwurzel aus negativ Eins die Rechnungseinheit ist.“ „Das ist es aber gerade. Die gibt es doch gar nicht. Jede Zahl, ob sie nun positiv ist oder negativ, gibt zum Quadrat erhoben etwas Positives. Es kann daher keine wirkliche Zahl geben, welche die Quadrat- wurzel von etwas Negativem wäre.“ „Ganz recht: aber warum sollte man nicht trotzdem versuchen, auch bei einer negativen Zahl die Operation des Quadratwurzelziehens anzuwenden? Natürlich kann dies dann keinen wirklichen Wert ergeben und man nennt doch auch deswegen das Resultat nur ein imaginäres. Es ist so, wie wenn man sagen würde: hier saß sonst immer jemand, stellen wir ihm also auch heute einen Stuhl hin: und selbst, wenn er inzwischen gestorben wäre, so tun wir doch, als ob er käme.“ „Wie kann man aber, wenn man bestimmt, ganz mathematisch bestimmt weiß, dass es unmöglich ist?“ „So tut man eben trotzdem, als ob dem nicht so wäre. Es wird wohl irgendeinen Erfolg haben. Was ist es denn schließlich anderes mit den irrationalen Zahlen? Eine Division, die nie zu Ende kommt, ein Bruch, dessen Wert nie und nie herauskommt, wenn du auch noch so lange rechnest? Und was kannst du dir darunter denken, dass sich parallele Linien im Unendlichen schneiden sollen? Ich glaube, wenn man allzu gewissenhaft wäre, so gäbe es keine Mathematik.“ „Darin hast du recht. Wenn man es sich so vorstellt, ist es eigenartig genug. Aber das Merkwürdige ist ja gerade, dass man trotzdem mit solchen imaginären oder sonstwie unmöglichen Werten ganz wirklich rechnen kann und zum Schlusse ein greifbares Resultat vorhanden ist!“ „Nun, die imaginären Faktoren müssen sich zu diesem Zwecke im Laufe der Rechnung gegenseitig aufheben.“ „Ja, ja: alles was du sagst, weiß ich auch. Aber bleibt nicht trotzdem etwas ganz Sonderbares an der Sache haften? Wie soll ich das ausdrücken? Denk doch nur einmal so daran: In solch einer Rechnung sind am Anfang ganz solide Zahlen, die Meter oder Gewichte oder irgend etwas anderes Greifbares darstellen können und wenigstens wirkliche Zahlen sind. Am Ende der Rechnung stehen ebensolche. Aber diese beiden hängen miteinander durch etwas zusammen, das es gar nicht gibt. Ist das nicht wie eine Brücke, von der nur Anfangs- und Endpfeiler vorhanden sind und die man dennoch so sicher überschreitet, als ob sie ganz dastünde? Für mich hat so eine Rechnung etwas Schwindliges: als ob es ein Stück des Weges weiß Gott wohin ginge. Das eigentlich Unheimliche ist mir aber die Kraft, die in solch einer Rechnung steckt und einen so festhält, dass man doch wieder richtig landet.“ Beineberg grinste: „Du sprichst ja beinahe schon so wie unser Pfaffe …“ 150 Køeinprojekt: Bastøe gemäß Fig. 1.13c ein Kardangeøenk, weøches die Kurbeøweøøe mit der Kardanweøøe unter dem Winkeø 1 α = 0°, 2 α = 30°, 3 α = 60°, 4 α = 90° verbindet! Drehe die Kurbeøweøøe einmaø herum in 15°-Schritten und miss, um wie vieø Grad sich dabei die Kardanweøøe jeweiøs weiterdreht! Drücke das Ergebnis umgangssprachøich und graphisch (aøs Funktionsgraph) aus! Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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