Reichel Mathematik 7, Schulbuch

33 1.7 Rückblick und Ausblick 1 Ersichtlich muss nun aber nicht mehr mit der Lösung x 1 = a + bi auch deren konjugiert-komplexe Zahl __ x 1 = a – bi als Lösung auftreten; anders als für quadratische Gleichungen mit reellen Koeffizienten, für die es drei Lösungsfälle gibt , gibt es für quadratische Gleichungen mit (echt-)komplexen Koeffizienten sechs Lösungsfälle. Weøche sind das ? Man sieht: Analog zu Gleichungen (Polynomen) mit reellen Koeffizienten lässt sich eine Theorie für Gleichungen (Polynome) mit (echt-)komplexen Koeffizienten aufbauen. Wir wollen uns damit nicht nä- her auseinandersetzen, weil echt-komplexe Koeffizienten in der Praxis kaum auftreten. Die wesent- lichsten Aussagen zu diesem Thema haben wir überdies schon kennen gelernt: Ein Polynom p (x) hat genau so viele (komplexe) Nullstellen, wie sein Grad angibt; man muss dabei allerdings jede Nullstelle mit ihrer Viel- fachheit zählen. Fig. 1.9 zeigt den Graphen eines Polynoms fünften Grades mit zwei reellen Nullstellen x 1 und x 2 , wobei x 2 eine doppelte Nullstelle ist. Nun muss p (x) aber fünf (komplexe) Nullstellen haben, dh. die restlichen beiden müssen echt-komplex sein. Geometrisch ge- sprochen: Die beiden entsprechenden „Schnittpunkte“ des Graphen mit der x-Achse liegen (offenbar) im Komplexen; sie sind im Reellen „unsichtbar“. Hat ein solcher Satz aber überhaupt einen Sinn? Ist es überhaupt sinnvoll, von „komplexen Punkten“ zu sprechen? Allgemeiner: Kann man „im Komplexen“ Geometrie betreiben? 3. Wissen, dass man Geometrie auch im Komplexen betreiben kann Die Anwort erkennst du, wenn du an die analytische Geometrie denkst, dh. an die Behandlung geomet- rischer Probleme mit rechnerischen Methoden. Da man mit komplexen Zahlen genauso rechnen kann wie mit reellen, lässt sich auch die Sprache der analytischen Geometrie übertragen. Ein „Punkt“ P ist also ein „Zahlenpaar (p 1 1 p 2 ) “ mit komplexen „Koordinaten“ p 1 und p 2 . (Da man aber für die geometri- sche Darstellung einer komplexen Zahl schon die GAUSS’sche Zahlenebene – also zwei Dimensionen – benötigt, könnte man P rein „zeichnerisch“ sozusagen erst im R 4 darstellen; vgl. Buch 6. Kl. S. 66.) Eine „komplexe Gerade“ ist dann – ganz analog zum Reellen – einfach durch eine lineare Funktion dar- stellbar: y = kx + d , wobei k und d zwei komplexe Konstanten und x und y die komplexen (Lauf-)Koordi- naten sind. Gewisse Fragestellungen führen sogar „automatisch“ zu komplexen Geraden, zB: Kann man vom Mittelpunkt eines Kreises eine Tangente an den Kreis ziehen? Laut Fig. 1.10 berührt die Gerade g: y = kx + d den Kreis genau dann, wenn d 2 = r 2 ·(k 2 + 1) gilt. Begründe! Wenn nun g durch den Ursprung gehen soll, muss d = 0 sein. Daraus aber folgt: k 2 = ‒1 w k 1 = i , k 2 = ‒i . Die gesuchten Tangenten müssten die komplexen Geraden g 1 : y = i·x und g 2 : y = ‒i·x sein. Solche Geraden haben noch einige weitere Eigenschaften, die para- dox erscheinen: Zum Beispiel steht jede dieser Geraden – sie haben die Richtungsvektoren (1 1 i) und (1 1 ‒i) – auf sich selbst normal! Mit Hilfe des skalaren Produktes rechnen wir das für zB g 1 leicht nach: “ 1 i § · “ 1 i § = 1 + i 2 = 0 w “ 1 i § © “ 1 i § Rechne anaøog für g 2 ! K 1.2 A 144 Fig. 1.9 x 1 x 2 x Fig. 1.10 ļ G U G 2 – U 2 G x U 2 2 U x y G \ N[ G G N ļ G N ļ N U G 2 – U 2 G 2 x U 2 U 2 N 2 G 2 U 2 N A 151a Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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