Reichel Mathematik 7, Schulbuch
166 Einige Anwendungen der Differentialrechnung 4 Für das praktische Rechnen mit Zahlen und Funktionen genügt es dabei allemal, mit solchen (hinrei- chend genauen) Approximationen zu arbeiten . Für theoretische Überlegungen genügt das aber nicht, wie etwa zur Beantwortung der Frage, durch wel- chen Bruch die periodische Dezimalzahl 0,185185… = 0, ___ 185 dargestellt werden kann. Diese Frage haben wir in der 5. Klasse (vgl. Buch 5. Kl. S. 64) beantwortet und dabei – sozusagen als „theoretischen Abfall“ – eingesehen, welche unendlichen Dezimalzahlen man als Bruch darstellen kann und welche nicht. Auch bei der exakten Darstellung von Funktionen durch Potenzreihen ergeben sich als „theoretischer Abfall“ neue Einsichten und Gesichtspunkte. Beispielsweise ist es nun – zumindest formal – möglich, Winkelfunktionen komplexer „Winkel“ zu „erklären“. Man braucht dazu in der Potenzreihe für x nur ei- ne komplexe Zahl einzusetzen. Setzt man zB in cos x = 1 – x 2 __ 2! + x 4 __ 4! – x 6 __ 6! + – … x = i , so erhält man wegen i 2 = i 6 = … = ‒1 und i 4 = i 8 = … = + 1 cos i = 1 – ‒1 __ 2 + 1 __ 24 – ‒1 ___ 720 + – … = 1 + 1 _ 2 + 1 __ 24 + 1 ___ 720 + … wobei diese Reihe gegen eine Zahl zwischen 1 und 2 konvergiert. Beweise, dass der Grenzwert wirkøich existiert, und berechne seine ungefähre Größe ! Man sieht: Konnte man in der 5. und 6. Klasse die Cosinusfunktion (aufgrund des zugrunde gelegten geometrischen Sachverhalts) nur für reelle Winkel erklären, so kann man sie nun anhand ihrer Potenz- reihe auch für echt-komplexe „Winkel“ definieren (was immer man sich dabei unter einem komplexen Winkel vorstellen mag). Dabei treten dann allerdings – siehe oben – Funktionswerte † cos x † > 1 auf. Bei Potenzreihen mit komplexem Argument spricht man statt vom Konvergenz-Intervall vom Konver- genz-Radius , weil das Konvergenzgebiet stets eine Kreisscheibe in der GAUSS’schen Zahlenebene ist – allenfalls ein Punkt (Kreis mit r = 0 ) oder die ganze Ebene (Kreis mit r = • ). Der Schnitt eines solchen Konvergenz-Kreises mit der reellen Achse ( = R ) ergibt das für reelle Argumente gültige Konvergenzin- tervall. 4. Ideen zur lokalen und globalen Approximation einer Funktion verstehen In Kap. 4.3 haben wir eine Funktion f bei x 0 durch Polynome approximiert – durch Polynome deshalb, weil diese Funktionen besonders „gutartig“ und einfach zu handhaben sind. Je höher der Grad des Po- lynoms, umso besser „schmiegt“ sich der Graph der Polynomfunktion bei x 0 dem Graphen der gegebe- nen Funktion f an (vgl. Fig. 4.17 auf S. 158). In einer „größeren“ Entfernung von x 0 muss eine „bessere“ Approximation um den Preis eines höheren Grades der approximierenden Polynomfunktion erkauft werden. Selbst bei Verwendung einer Potenz- reihe (mit ihren unendlich vielen Gliedern) kommt man dabei aber nicht über deren Konvergenz-Inter- vall hinaus. Will man daher eine Funktion f nicht nur lokal approximieren, also in einer (relativ klei- nen) Umgebung von x 0 , sondern global , also in einem (relativ großen) Intervall, so geht man anders vor: Ein Weg ist die Verwendung von Linearkombinationen der ebenfalls sehr „gutartigen“ Sinus- und Cosi- nusfunktion statt der Linearkombinationen von Potenzfunktionen, also Polynomen. Dies führt auf die so genannten FOURIER-Polynome und FOURIER-Reihen und Potenzreihen. Ein zweiter Weg besteht darin, f stückweise durch die Funktionen g 1 , g 2 , … , g k (meist Polynome 2. Gra- des) statt durch eine einzige Funktion g zu approximieren. Man nennt solche Funktionen Spline-Funkti- onen. Der Name Spline-Funktion leitet sich vom englischen Wort spline ab, mit welchem man ein bieg- sames Kurvenlineal bezeichnet, wie es zB die Schiffsbauer verwenden. In der Mathematik ergeben sich Spline-Funktionen, wenn man das biegsame Lineal zwischen einigen fest gewählten Kurvenpunkten „einspannt“. Erøäutere! A 632 A 651 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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