Reichel Mathematik 7, Schulbuch
141 3 durch den gleichorientierten Winkel α 2 = r 1 /r 2 · α 1 weitergedreht. Damit hat sich auch die Strecke M 2 X um M 2 durch α 2 weitergedreht. Diese Aussage be- zieht sich aber auf das Gangsystem ! Bezogen auf das Rastsystem hat sich die Strecke M 2 X durch den Winkel α 1 + α 2 weitergedreht! Begründe! Fig. 3 y x X b 2 b 1 r 2 r 1 ñ 1 ñ 2 ñ 2 ñ 1 s M 1 M 2 X Das Berechnen der Koordinaten x und y von X ist nur noch eine Anwendung von Sinus und Cosinus: x = (r 1 + r 2 )·cos α 1 + s·cos ( α 1 + α 2 ) y = (r 1 + r 2 )·sin α 1 + s·sin ( α 1 + α 2 ) s ist dabei die (orientierte) Streckenlänge ____ M 2 X . Verwendet man α 1 als (Zeit-)Parameter t (bildlich gesprochen fungiert die Strecke M 1 M 2 als rück- wärts laufender Sekundenzeiger) und setzt für α 2 ein, so erhält man: x = (r 1 + r 2 )·cos t + s cos “ t + r 1 __ r 2 ·t § y = (r 1 + r 2 )·sin t + s·sin “ t + r 1 __ r 2 ·t § Für die in Fig. 2 gezeigte Nephroide ist r 1 = 2 , r 2 = 1 und s = 1 , womit man erhält: x = 3·cos t + cos (3 t) y = 3·sin t + sin (3 t) Die obige allgemeine Darstellung einer Radlinie gilt jedoch nur für den Fall, dass der Gangkreis au- ßen am Rastkreis abrollt. Rollt er innen am Rast- kreis ab, so sind α 1 und α 2 entgegengesetzt orien- tiert, womit man analog zu oben herleiten kann: x = (r 1 – r 2 )·cos t + s·cos “ t – r 1 __ r 2 ·t § y = (r 1 – r 2 )·sin t + s·sin “ t – r 1 __ r 2 ·t § Für die Vorgaben r 1 = 2 , r 2 = 1 und s = 1 von Fig. 2 erhält man nun insbesondere x = cos t + cos (‒t) y = sin t + sin (‒t) Daraus kann man auch ohne Zeichnung erkennen – Begründe! – dass bei Innenabrollung eines Krei- ses in einem doppelt so großen Kreis nicht mehr eine nierenförmige Kurve entsteht, sondern eine Strecke ! Ja, du liest richtig: Man kann mit geeigne- ten kreisförmigen Bewegungen exakt geradlinige Bewegungen erzeugen! Hättest du gedacht, dass es einen „Zirkel“ zum Zeichnen von Strecken gibt? Ja noch mehr: Dass es „Zirkel“ zum Zeichnen von Ellipsen, Hyperbeln und vielen anderen Kurven gibt? Wolltest du immer schon einem dir lieben (und mathematisch gebildeten) Menschen etwas „Herzi- ges“ schreiben? Schreib ihm einen „mathemati- schen Liebesbrief“! Schreib ihm : „Mein ganzes x = 3·cos t y = 3·sin t + 3· † cos t † gehört nur Dir.“ Fig. 4 0 y x Parameterdarstellungen x = x (t) und y = y (t) sind nicht nur ein probates Mittel zum Beschreiben me- chanischer Instrumente zum Zeichnen von Kurven, sie sind auch Grundlage des Zeichnens von Kurven mittels elektronischer Instrumente wie dem Funk- tionsgenerator mit angeschlossenem Oszilloskop: Zeitabhängig gesteuert vom Funktionsgenerator wird der Kathodenstrahl im Oszilloskop durch in Spulen erzeugte elektromagnetische Felder hori- zontal (wir sagen: in x -Richtung) und vertikal (wir sagen: in y -Richtung) abgelenkt. Mit anderen Wor- ten: x (t) steuert die horizontale, y (t) die vertikale Bewegung des Punktes X (x 1 y ) am Bildschirm. Nach dem gleichen Prinzip erzeugt ein xy -Plotter (vgl. Buch 5. Kl. S. 123) Kurven. An die Stelle der Magnetfelder treten Schrittmotoren und an die Stelle des Bildschirms ein Blatt Papier. Du siehst: Hinter den technisch-physikalisch un- terschiedlichen Erzeugungsmöglichkeiten von Kur- ven steckt (meist) das gleiche einfache Prinzip, das der Parameterdarstellung. Es war und ist Aufgabe der Mathematik, solche Prinzipien zu entwickeln. F 4 S 114 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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