Reichel Mathematik 7, Schulbuch
140 Exkurs 3 Wie Kurven wirklich erzeugt werden Das Ausschneiden von ebenen Formteilen mit bestimmten Randkurven aus Roh- materialien wie Pappendeckel, Holzbrettern, Span- und Styroporplatten, Blechen usw. ist ein in der Industrie alltäglicher Vorgang. Je nach Material arbeitet man mit Messern, Bandsägen, Wasserstrahlschneidern, Schneidbrennern, Laser usw. Alle diese Geräte müssen aber geeignet gesteuert werden! In vorindustrieller Zeit wurden die Kurven oft von Schablonen auf das Rohmaterial kopiert und dann – händisch (gesteu- ert) – ausgeschnitten. Mecha- nische Steuerungen fanden erst mit der industriellen Revolution breiten Ein- zug. Bei den mechanischen Steuerungen handelt es sich um Maschinen, die aus einfachen Bewe- gungen komplizierte Bewegungen generieren konnten. Zu den einfachen Bewegungen zählen je- denfalls Bewegungen längs Kreisbahnen und Stre- cken, wie sie durch Zahnräder, Kurbeln, Schieber etc. realisiert werden können. So entsteht etwa die in Fig. 1 und 2 gezeigte nieren- förmige Kurve („Nephroide“) als „Spur“ des Punk- tes X am Rand des roten (Zahn-) Rades (= bewegtes System = Gangsystem) beim Abrollen auf dem blau- en (Zahn-)Rad (= ruhendes System = Rastsystem). Erøäutere! Nach ihrer Erzeugung nennt man Kurven wie in Fig. 1 Radlinien . Je nach Wahl der Radien der (Zahn-)Räder können Radlinien sehr unterschied- liches Aussehen besitzen. Da man aber in der Pra- xis nur über ein endliches Sortiment verschieden großer (Zahn-)Räder verfügt, ist das Repertoire an herstellbaren Radlinien beschränkt. Fig. 1 Wesentlich flexibler ist man bei Verwendung eines Computers, wo man ja die beiden benötigten Radi- en in (praktisch) jeder gewünschten Größe und Genauigkeit eingeben kann. Allerdings braucht man dann einen Algorithmus, der die Abrollbewe- gung simuliert und in einem geeigneten Koordina- tensystem die Koordinaten des Bahnpunktes X Punkt für Punkt berechnet. Fig. 2 Im Allgemeinen ist dafür ein kartesisches Koordi- natensystem sinnvoll. Nicht sinnvoll ist es oft je- doch, Bahnkurven durch Gleichungen der Form y = y (x) beschreiben zu wollen. Denn einerseits lassen sich viele Kurven (wie Radlinien) im Allge- meinen nicht explizit durch Funktionen f: y = f (x) beschreiben, und andererseits würde in dieser Darstellung die Zeitkomponente fehlen. Für Steue- rungszwecke ist es ja nicht nur wichtig zu wissen, wo sich der Punkt X befindet, sondern auch wann er wo ist. Jedenfalls dafür ist die Verwendung von Parameterdarstellungen x = x (t) , y = y (t) meist sinnvoller, da t meist (als Drehwinkel und damit) als Zeit interpretiert werden kann. Wir wollen eine Parameterdarstellung für Radlini- en herleiten : Es sei r 1 der Radius des Rastkreises und r 2 der des Gangkreises. Die beim (rutschfreien) Abrollen über- rollten Kreisbögen b 1 = r 1 · α 1 und b 2 = r 2 · α 2 ( α 1 und α 2 im Bogenmaß) müssen gleich lang sein. Begrün- de! Aus b 1 = b 2 folgt jedoch α 2 = r 1 /r 2 · α 1 . Hat sich al- so beim Abrollen die Strecke M 1 M 2 um M 1 durch den Winkel α 1 gedreht, so hat sich das Gangrad F 3 Schneidbrenner in Aktion Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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