Vielfach Deutsch 4, Schulbuch

143 P Projekt: Internet und Co. – Risiken und Chancen Zuhören/Sprechen Lesen Schreiben Grammatik/Rechtschreibung 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 Hast du selber die Problematik bezüglich deines Internetkonsums bemerkt? Ja, ich habe gespürt, dass da etwas nicht mehr stimmt, aber grundsätzlich war es mir egal. Ich bekam in der Schule Probleme, war meist bis 1 oder 2 Uhr nachts im Internet und habe morgens kaum aufstehen mögen. Es hat sich bei mir ein Frust aufgebaut, in die Schule zu gehen. Kaum war ich daheim, habe ich den PC ange­ schaltet. Heißt das, du konntest im Moment, in dem du den PC angeschaltet hast, die Schule und den Frust vergessen? Ist das wie weg gewesen? Ja, eindeutig – der PC ist eine Flucht. Indem ich den PC angestellt habe, bin ich irgendwo anders hin geflüchtet. Beim „Gamen“ kennt einen niemand. Da sein, wo einen niemand kennt und der Alltag einen nicht einholt und man ganz neu anfangen kann? 12 14 16 18 20 22 24 26 28 Doch dann bekam meine Freundin ein Virus auf den PC und meinte, es kommt von dem Chat. Klar, ich kannte da noch jede Menge anderer Leute, aber ich hab dann beschlossen aufzu­ hören. So hab ich es gelassen. Dann, so zirka zwei Jahre danach, zeigte mir eine andere Freundin einen Chat. Ich fand den supertoll und meldete mich auch an. Ich habe da viele Klassenkameraden oder welche aus der Parallelklasse im Chat getroffen, mit denen ich sonst nicht so oft rede, und wir verstanden uns im Chat super. Es war toll! Wir waren die bes- ten Freunde, nur in der Schule kannten wir uns nicht. Wir behandelten uns wie Luft, obwohl wir so viel voneinander wussten, so verdammt viel, aber nur im Chat. Und real trauten wir uns nicht einmal, „Hi“ zu sagen. Es war schlimm. Mich hat es anfangs nicht gestört, und ich hab mich immer weiter von der Außenwelt abgeschnitten. 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 Ja, dort wo man alles andere vergessen kann, wo man seine Aufmerksamkeit und Konzentra­ tion nur dem Spiel widmen kann. Dort ist alles viel einfacher – beim Spielen wird man relativ schnell gut und immer besser und bekommt Ansehen von anderen. Kann es sein, dass das „Gamen“ für Menschen besonders attraktiv ist, die im richtigen Leben keine oder nur wenige Erfolgserlebnisse haben? Ja, auf jeden Fall. Es ist eine Flucht. Kollegen, die zum Beispiel überhaupt nicht sportlich sind, nicht gut aussehen und kaum Freunde haben, die sind total auf die „Games“ fixiert. Die machen sogar ihren Laptop zum „Gamen“ an, wenn die Pause nur fünf Minuten dauert. Aus deiner Sicht verwahrlosen die Jugendlichen? Ja, sogar total. Sie legen überhaupt keinen Wert mehr auf soziale Kontakte im realen Leben, sie sind nicht fähig eine normale Konversation zu führen, sie reden nur noch über den Computer, wie sich dort die Figuren und so bewegen. Der Computer – das Internet ist ihr Kommunikati­ onsmittel. Im Internet kann man einfach ange­ ben, wie man in Wirklichkeit gar nicht ist. Man sagt, ich sehe so und so aus, man kann sich eine komplett neue Persönlichkeit zulegen. Hilft es, im Internet jemand anderer zu sein? Ja genau, man muss nur genug Fantasie haben und daran glauben. Ich verstehe das auch – wenn man im wirklichen Leben keine Freunde und nichts hat und im Internet der Held sein kann, dann ist das toll. 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 Ich habe es meinen Eltern verheimlicht. Ich hatte auch eine Online-Beziehung usw., doch dann kam der Absturz. Meine beste Freundin, die nicht chattete – als Einzige fast –, sagte zu mir, dass sie Chatten blöd fände und sich alle nur noch wie Roboter benehmen würden und dass dies eine Sucht sei. Ich hab ihr nicht geglaubt. Im tiefsten Inneren wusste ich aber, dass sie Recht hat. Ich habe beschlossen auf- zuhören, doch ich schaffte es nicht. Ich hatte so viele Freunde und die einfach aufzugeben? Niemals! Das war das Komische, wir sahen uns jeden Tag in der Schule, doch wusste ich, dass, wenn ich aufhören würde, ich nie wieder mit ihnen sprechen würde. Ich wollte es redu- zieren, aber nicht einmal das schaffte ich. Aber ich fing an, den Leuten aus dem Chat „Hi“ zu sagen und mit ihnen zu reden. Und es klappte schon besser. Trotzdem saß ich immer noch stundenlang am PC, bis in die Nacht hinein, von morgens an. Auch die Kindersicherung meiner Eltern half nichts, denn ich ging einfach unter einem anderen Benutzernamen rein. Ich fing wieder an, häufiger zu chatten. Ich wollte es nicht, aber ich konnte es nicht lassen. Ich weiß nicht warum und wieso. Aber ich versteh es nicht, wie soll ich davon loskommen, wenn nicht einmal Kindersicherungen helfen? Ich weiß nicht mehr weiter. Ich bin echt am Ende. Aber aufgeben? Nein – das tu ich nicht! Bitte helft mir! http://www.kontaktco.at/shop/pdf/110-61.pdf (10.10.2012, bearbeitet) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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