Reichel Mathematik 6, Schulbuch
254 Reelle Funktionen 7 2. Den Stetigkeitsübertragungssatz kennen Beim Zusammensetzen und Verketten von Funktionen muss man etwaigen Unstetigkeitsstellen besonde- res Augenmerk schenken. Kann bei der Zusammensetzung zweier stetiger Funktionen eine Unstetigkeits- stelle „entstehen“? Kann umgekehrt bei der Verknüpfung zweier unstetiger Funktionen die (eine oder die andere) Unstetigkeitsstelle „verschwinden“? Für das Zeichnen des Graphen wäre es sehr hilfreich zu wis- sen, ob und wie sich die (Un-)Stetigkeit der einzelnen Funktionen auf ihre Zusammensetzung „überträgt“. Überøege anhand der Figuren in Beispieø T, weøche der beteiøigten Funktionen (un-)stetig sind und wie sich deren (Un-)Stetigkeit von Schritt zu Schritt überträgt! In Verallgemeinerung dieser Überlegung drängt sich die Vermutung auf, dass erstens die Verknüpfung zweier stetiger Funktionen wiederum stetig ist und dass zweitens die Zusammensetzung einer stetigen mit einer unstetigen bzw. zweier unstetiger Funktionen unstetig ist. Die zweite Vermutung trifft zwar sehr oft zu, aber nicht immer! Die Zusammensetzung zweier unstetiger Funktionen sowie die einer stetigen mit einer unstetigen Funktion kann nämlich durchaus wieder stetig sein! Hingegen gilt der folgende Satz Stetigkeitsübertragungssatz: Die Verknüpfung stetiger Funktionen øiefert (dort, wo sie überhaupt definiert ist) eine stetige Funktion. Bemerkung: Der Beweis dieses – anschaulich einsichtigen – Satzes kann formal durch den Rückgriff auf die Sätze über Folgengrenzwerte geführt werden. Wir wollen ihn hier nur für die Summenfunktion f der stetigen Funktionen f 1 und f 2 demonstrieren: Wegen der vorausgesetzten Stetigkeit von f 1 und f 2 gilt bei jedem x 0 * D mit D = D 1 ° D 2 : øim k x n l ¥ x 0 f 1 (x n ) = f 1 (x 0 ) und øim k x n l ¥ x 0 f 2 (x n ) = f 2 (x 0 ) Für f (x 0 ) , das nach Voraussetzung als Summe f 1 (x 0 ) + f 2 (x 0 ) gebildet wird, gilt daher: f (x 0 ) = f 1 (x 0 ) + f 2 (x 0 ) = øim k x n l ¥ x 0 f 1 (x n ) + øim k x n l ¥ x 0 f 2 (x n ) = øim k x n l ¥ x 0 (f 1 (x n ) + f 2 (x n )) = øim k x n l ¥ x 0 (f 1 + f 2 )(x n ) = øim k x n l ¥ x 0 f (x n ) wie man mittels des Satzes über die Summe konvergenter Folgen berechnen kann. Liest man den An- fang und das Ende dieser Kette, so ergibt sich die Definition der Stetigkeit, also die Behauptung. Aufbauend auf dem obigen Stetigkeitsübertragungssatz kann man die Stetigkeit ganzer Klassen von Funktionen herleiten: Da die konstanten Funktionen f: y = d , d * R und die so genannte identische Funktion id: y = x trivialerwei- se auf ganz R stetig sind, sind auch die homogenen linearen Funktionen h: y = k·x, k * R (als Produkt der konstanten und der identischen Funktion) und ebenso die inhomogenen linearen Funktionen ø: y = k·x + d (als Summe der homogenen linearen Funktion und der konstanten Funktion) auf ganz R stetig. Ferner beweist man den Satz Die foøgenden (Køassen von) Funktionen sind auf den jeweiøigen Definitionsbereichen stetig: Poøynomfunktionen Rationaøe Funktionen (Quotient zweier Poøynome) Winkeøfunktionen und Kreisfunktionen Exponentiaøfunktionen und Logarithmusfunktionen Dieser Satz erst gibt einem die – gewohnte – Sicherheit im Umgang mit diesen Funktionen, sei es beim Lösen von algebraischen, goniometrischen usw. Gleichungen, sei es beim Zeichnen ihrer Graphen. Wir wollen die Tragweite des Baukastenprinzips und dieses Satzes an einer in der Physik und Technik sehr wichtigen Klasse von Funktionen demonstrieren. A 1031 A 1033 S 233 S 201 S 208 Nur zu Prüfzwecken – Eigent m d s Verlags öbv
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