Reichel Mathematik 6, Schulbuch
233 7.1 Winkel- und Kreisfunktionen 7 Winkel- und Kreisfunktionen 1. Drehbewegungen modellieren Wir drehen einen an einem 1 m langen Faden befestigten „punktförmigen“ Ball mit konstant einer Um- drehung pro Sekunde. Fotografiert man diese Bewegung aus großer Entfernung 12-mal pro Sekunde mit einer in der Drehebene bzw. in der Drehachse liegenden Hochgeschwindigkeitskamera, so entsteht das in Fig. 7.2 a bzw. 7.2b dargestellte „stroboskopische“ Foto. Erøäutere! (Steht keine Kamera zur Verfügung, so kann man das „Foto“ auch konstruieren.) x x y Fig. 7.2a Fig. 7.2b Fig. 7.2c Um auch die Zeitkomponente ins Spiel zu bringen empfiehlt sich ein Diagramm, das die Abhängigkeit der Auslenkung y vom Drehwinkel x darstellt. Verbindet man dort die diskret liegenden Punkte – was vernünftig ist, da es sich ja um eine kontinuierliche Bewegung handelt – so entsteht der in Fig. 7.2c dar- gestellte Graph einer reellen Funktion. Um weøche (dir bekannte) Funktion handeøt es sich? Um die Sinusfunktion, allerdings mit folgendem wichtigen Unterschied. Da der Ball mehr als nur eine Umdrehung (von 360° ) macht, treten nun auch Winkel x auf, die außerhalb jenes Standardintervalls [0°; 360°[ liegen, auf das wir uns in der 5. Klasse im Zusammenhang mit Polarkoordinaten sinnvoller- weise beschränkt haben (vgl. Buch 5. Kl. S. 205). So gilt aufgrund der geometrischen Äquivalenz (vgl. Buch 5. Kl. S. 188) von 30° und 390° ( = 30° + 360° ) nun sin 30° = sin 390° = sin 750° = … oder bei „Rück- wärtsdrehung“ sin 30° = sin (‒330°) usw. Erøäutere und gib weitere Beispieøe! Im Umweg über geometrisch äquivalente Winkel des Standardintervalls kann man so den Sinus (und analog die anderen Winkelfunktionen) für beliebige reelle Winkel x definieren. Dies hat aber auch sei- nen Preis. Erinnern wir uns: Im rechtwinkeligen Dreieck war jedem Winkel genau ein Funktionswert zugeordnet, und umgekehrt. Die Zuordnung Winkel ↔ Winkelfunktionswert war in beiden Richtungen eindeutig; sie war bijektiv . Im Standardintervall war jedem Winkel genau ein Funktionswert zugeordnet, im Allgemeinen aber nicht umgekehrt. Zu einem vorgegebenen Funktionswert gab es im Allgemeinen zwei zugehörige Winkel. Die Zuordnung Winkel ↔ Winkelfunktionswert war in Richtung Winkelfunktionswert eindeutig , in Richtung Winkel im Allgemeinen zweideutig . Bei der Erweiterung auf beliebige reelle Winkel ist die Zuordnung Winkel ↔ Winkelfunktionswert in Richtung Winkelfunktionswert weiterhin eindeutig (sonst läge ja gar keine Funktion vor), in Richtung Winkel jedoch unendlich vieldeutig . Begründe anhand von Fig. 7.2c! Das Selbstverständliche und gleichzeitig Besondere dabei ist, dass sich die Werte (im Prinzip unendlich oft) „regelmäßig“ wiederholen. „Regelmäßigkeiten“ der hier auftretenden Art werden in der Mathematik durch den Begriff Periodizität präzisiert: Definition Eine nicht-konstante Funktion f heißt periodisch mit der Periode p (= p-periodisch), wenn giøt: Å x * D f f (x + p) = f(x) festes p * R , (x + p) * D f Bemerkung: Ist eine Funktion p-periodisch, dann ist sie auch 2p-periodisch, 3p-periodisch usw. Begrün- de! Unter allen Perioden gibt es eine kleinstmögliche , die so genannte primitive Periode der Funktion. 7.1 150501-233 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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