Reichel Mathematik 6, Schulbuch

169 5.1 Einführung in den Wahrscheinlichkeitsbegriff 5 Einführung in den Wahrscheinlichkeitsbegriff 1. Den Zusammenhang zwischen Wahrscheinlichkeit und relativer Häufigkeit kennen Glücksspiele gehören zu den Leidenschaften der Menschheit. Da es dabei um zum Teil existenzbedro- hende Einsätze ging (ganze Ländereien bis hin zur eigenen Versklavung) und nach wie vor geht, wandte man sich nicht selten mit Fragen zu Gewinnchancen an die Priester („Orakel“) und Weisen („Philoso- phen“, „Mathematiker“ usw.). Eines dieser Probleme wird im Exkurs erzählt. Als typisches Beispiel dafür wollen wir zur Einführung die folgende Situation studieren. Wirft man gleichzeitig zwei gleiche Münzen, so gibt es offenbar drei mögliche Ereignisse: „Zweimal Kopf“, „Kopf und Adler“ sowie „zweimal Adler“. (Heute zeigen Münzen meist andere Motive.) Interessanterweise tritt das Ereignis „Kopf und Adler“ viel häufiger (nämlich rund doppelt so oft wie jedes der anderen) auf, ob- wohl diese drei Ereignisse doch logisch gleichberechtigt sind. Oder doch nicht? Der Trugschluss ist hier – anders als in der Praxis, wo die Probleme oft sehr verzwickt sind – schnell aufgeklärt. In Wahrheit sind es vier mögliche Ereignisse, was man besser sieht, wenn man sich die Münzen als unterscheidbar (etwa eine als Gold- und eine als Silbermünze) vorstellt und in einer Vier- feldertafel tabelliert. Da die Münzen aber gleich und damit ununterscheidbar sind, erscheinen die Er- eignisse „Kopf und Adler“ sowie „Adler und Kopf“ dem Beobachter als ein und dasselbe Ereignis, wor- aus er aber nicht schließen darf, dass es mit der gleichen Häufigkeit auftritt wie die Ereignisse „Kopf-Kopf“ oder „Adler-Adler“. Erøäutere anhand von Fig. 5.1! Fig. 5.1 1 2 K A K A 1 Zweimal Adler Einmal Kopf Einmal Adler Zweimal Kopf 1 4 1 4 1 4 1 4 Der Fehler lag also wie so oft in der Wahrscheinlichkeitsrechnung im falschen gedanklichen Modell des Zählens , weswegen wir uns in Kap. 5.2–5.5 mit einigen „richtigen“ (gedanklichen) Modellen des Zäh- lens beschäftigen, einem Teilgebiet der so genannten Kombinatorik . Kommt man mit Modellvorstellungen nicht weiter, so helfen möglicherweise Experimente , wo man in langen Versuchsfolgen die Häufigkeit (man sagt auch: die Frequenz) des Auftretens eines bestimmten Ereignisses zählt und daraus die Häufigkeit des Auftretens dieses Ereignisses, die so genannte Wahr- scheinlichkeit, schätzt . Bei diesem so genannten frequentistischen oder auch statistischen Wahr- scheinlichkeitsbegriff unterstellt man, dass die relative Häufigkeit der bestmögliche Schätzwert für die Wahrscheinlichkeit ist, und umgekehrt die Wahrscheinlichkeit der bestmögliche Prognosewert für die re- lative Häufigkeit. (Aus diesem Grund verwenden wir in diesem Buch das Symbol P bzw. p nicht nur zur Kennzeichnung der Wahrscheinlichkeit (engl.: p robability), sondern auch für den relativen Anteil (engl.: p art) bzw. den als Dezimalzahl angeschriebenen prozentualen Anteil.) Hierbei kommt die aus der Unter- stufe geläufige und in Kap. 5.0 kurz wiederholte beschreibende Statistik zum Einsatz. Beispiel B Die foøgende Urøiste dokumentiert eine Serie von 30 Reißnageøwürfen („1“ steht dabei für Spitze nach unten, „0“ steht für Spitze nach oben): 11101 11110 01110 11111 00011 10110 Mit weøchen absoøuten und reøativen Häufigkeiten treten die Ereignisse „0“ und „1“ auf? Lösung: Absoøute Häufigkeiten: a (0) = 9; a(1) = 21 Reøative Häufigkeiten: r (0) = 9/30 = 0,3 ≈ P (0); r (1) = 21/30 = 0,7 ≈ P (1) 5.1 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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