Mathematik verstehen 3, Schulbuch

1.8 MERKwürdiges: Die Idee der negativen Zahlen 41 Geschichte Schon bei den Babyloniern war ein Zeichen bekannt, das „weniger als“ bedeutet. Es ist aber kaum anzunehmen, dass hier bereits an negative Zahlen gedacht worden ist. Im chinesischen Rechen- buch „Chiu Chang Suan Shu“ werden für Gleichungen Rechenregeln für Additionen und Subtrak- tionen positiver und negativer Zahlen formuliert. Die Inder stellten Begriffe wie Vermögen und Schulden an die Stelle von positiven und negativen Zahlen. Leonardo von Pisa, genannt FIBONACCI (ca. 1170 – ca. 1240), stellte folgende Aufgabe: Vier Personen besitzen unbekannte Geldbeträge x 1  , x 2  , x 3 und x 4 . Sie finden eine Geldbörse mit unbekanntem Inhalt b. Dann soll gelten: ​x​  1 ​+ b = 2·(​x​  2 ​+ ​x​  3 ​) ​x​  2 ​+ b = 3·(​x​  3 ​+ ​x​  4 ​) ​x​  3 ​+ b = 4·(​x​  4 ​+ ​x​  1 ​) ​x​  4 ​+ b = 5·(​x​  1 ​+ ​x​  2 ​) Ich werde zeigen, dass dieses Problem unlösbar ist, wenn nicht zugelassen wird, dass die erste Person Schulden hat. Tatsächlich sind die Lösungen: x 1  = ‒1, x 2  = 4, x 3  = 1, x 4  = 4 und b = 11. Der deutsche Mathematiker Michael STIFEL (1487 – 1567) bezeichnete negative Zahlen als „ fingierte Zahlen unter null “. Fingiert bedeutet „vorgetäuscht, einge­ bildet“, und so lehnten viele Mathematiker des 16. und 17. Jahrhunderts negative Zahlen ab, mancher bezeichnete sie sogar als „Unsinn“. Nutzen In weiterer Folge kam man aber an den negativen Zahlen kaum mehr vorbei. Leonhard EULER (1707 – 1783) dachte bei negativen Zahlen immer noch an Schulden, schrieb aber schon das Zeichen „–“ vor diese Zahlen. Carl Friedrich GAUSS (1777 – 1855) meinte: „ Positive und negative Zahlen können nur da eine Anwendung finden, wo das Gezählte ein Entgegengesetztes hat, was mit ihm vereinigt gedacht der Vernichtung gleich zu stellen ist. “ Erst im 19. Jahrhundert begann man Rechengesetze zu formulieren und somit negative Zahlen so zu sehen, wie wir sie heute auch verstehen. Permanenzprinzip Es wäre nicht sehr zweckmäßig, wenn die Einführung der negativen Zahlen zur Folge hätte, dass auf einmal ganz andere Rechenregeln gelten müssten. Die Erweiterung des Zahlbegriffs durch die negativen Zahlen sollte daher so geschehen, dass bei der Ordnung und den Grundrechenarten die Rechengesetze für natürliche Zahlen auf die ganzen Zahlen übertragbar sind. Diese Forderung stellte der Mathematiker Hans Hermann HANKEL (1839 – 1873) auf und nannte sie Permanenzprinzip : Eine Zahlbereichserweiterung ist nach Möglichkeit so durchzuführen, dass möglichst viel von dem Altgewohnten erhalten bleibt. Nu zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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