Lösungswege Mathematik Oberstufe 8, Schulbuch

123 Die Zahl 1021 ist eine Primzahl. Bilden wir durch Verknüpfung der Aussagen „1021 ist eine Primzahl“ und „Es existieren Einhörner“ den folgenden „oder“-Satz: „1021 ist eine Primzahl oder es existieren Einhörner“. Dieser Satz ist wahr, weil die erste Aussage wahr ist. Über den Wahrheitsgehalt des zweiten Satzes wird nichts ausgesagt. Wir betonen: Dieser zusammengesetzte Satz ist wahr! Wäre aber auch die Verneinung des ersten Satzes (also „1021 ist keine Primzahl“) wahr, so ist dessen Verneinung (also „1021 ist eine Primzahl“) falsch (Satz vom ausgeschlossenen Dritten). Daraus ergibt sich, da der zusammengesetzte Satz ja bereits als wahr erkannt wurde, dass der zweite Teilsatz wahr sein muss: Es existieren also Einhörner!! Während in anderen Wissenschaften ein Widerspruch nicht so gravierend ist (es wird z.B. nicht gleich die ganze Wissenschaft der Geschichte in Frage gestellt, nur weil zwei Datierungen einander widersprechen), so breitet sich ein Widerspruch in der Mathematik ungehindert und zerstörerisch aus, weil dann alle Aussagen (und auch ihre Verneinungen) beweisbar sind. 1931 zerstörte der österreichische Mathematiker Kurt Gödel den ersten Teil von Hilberts Traum, indem er folgenden Satz bewies: Die Widerspruchsfreiheit der Mathematik kann in einem formalen System nicht bewiesen werden. Vollständigkeit2) 3) Um den Begriff „Vollständigkeit“ eines formalen Systems zu verstehen, muss man zuerst den Unterschied zwischen “beweisbar“ und „wahr“ klarer als bisher herausarbeiten. Man betrachte das rechts beschriebene formale System (das p-g-System). Man wendet ausgehend vom Axiom (der einzige Satz der anfangs da ist), zweimal die Ableitungsregel (AR) an: - p - g - - ​AR ⟶​ - - p - g - - - ​AR ⟶​ - - - p - g - - - - Das Ergebnis - - - p - g - - - - ist im p-g-System ein beweisbarer Satz, da er in diesem formalen System entsprechend der Ableitungsregel richtig abgeleitet wurde. Man kann diese Sätze realitätsnah interpretieren. Interpretiert man die Anzahl der Striche als Zahl, „ p“ als „plus“ und „g“ als „ist gleich“, so bekommen diese rein formal abgeleiteten und bedeutungslosen Sätze eine Bedeutung für uns: „1 plus 1 ist gleich zwei“, „2 plus 1 ist gleich drei“, „3 plus 1 ist gleich 4“. Diese derart interpretierten Sätze sind allesamt „wahr“ in dem Sinn, dass sie in unserer Welt stimmen (z.B. drei Bücher und ein Buch sind gleich vier Bücher). Man kann erkennen, dass alle (in unserer Realität) wahren Additionen der Zahl 1 zu einer beliebigen Zahl mit Hilfe des p-g Systems beweisbar sind. Es gibt aber in unserer Realität wahre Additionen, die im p-g-System nicht beweisbar (ableitbar) sind. Zum Beispiel die Addition 3​ + 4 = 7​. Das p‑g‑System ist also unvollständig: Das heißt, nicht jeder wahre Satz kann auch bewiesen werden. Nun könnte man das p-g-System so erweitern, dass jede wahre Addition auch beweisbar ist. Das würde aber keine Vollständigkeit erzeugen. 1931 zerstörte Kurt Gödel auch den zweiten Teil von Hilberts Traum. Er bewies den Satz: Jedes hinreichend starke formale System, das widerspruchsfrei ist, ist unvollständig. Hinreichend stark bedeutet, dass man zumindest etwas über natürliche Zahlen aussagen kann. In der Mathematik wird es keinem formalen System je gelingen, alle Wahrheiten zu beweisen. 2) Hier dient eine Auseinandersetzung mit den Vertiefungen auf S. 82–83 dem ®eichteren Verständnis. 3) Idee aus: Hofstadter, Doug®as R. (1985): Göde®, Escher, Bach, K®ett-Cotta Ó Vertiefung Das erweiterte p-g System ei752y Aber: Wenn die Zah® 1 021 keine Primzah® ist, dann existiere ich! Das p-g-System – definierte Symbo®e: p, g, - – einziges Axiom: „- p - g - -“ – einzige Ab®eitungsrege® (AR): Wenn „x p - g x -“ein Satz ist, dann ist auch „x - p - g x - -“ ein Satz. x steht dabei für eine Anzah® von Strichen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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